Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Beschluss vom 25.06.1997; Aktenzeichen 9 GaBV 1/97) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 25. Juni 1997 – 9 Ga BV 1/97 – wird zurückgewiesen.
Gründe
Die statthafte und auch formgerecht eingelegte und damit zulässige Beschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht mit dem angefochtenen Beschluß den Antrag des Betriebsrats auf Unterlassung von Kündigungen vor Abschluß des Verfahrens über einen Interessenausgleich im Streitfall zurückgewiesen.
Die Beschwerdekammer folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses, so daß hierauf in entsprechender Anwendung des § 543 ZPO zu verweisen ist. Insbesondere geht die Beschwerdekammer mit dem Arbeitsgericht davon aus, daß dem Betriebsrat im Falle einer Betriebsänderung gemäß § 111 S. 1 BetrVG ein im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzbarer Anspruch auf Unterlassung von betriebsbedingten Kündigungen bis zum Abschluß des Interessenausgleichsverfahrens zusteht.
Mit dem Arbeitsgericht ist aber auch davon auszugehen, daß dieser Unterlassungsanspruch mit Ablauf der Frist des § 113 Abs. 3 S. 2 BetrVG endet.
Dem Betriebsrat ist zwar darin zuzustimmen, daß vieles dafür spricht, daß diese durch das Arbeitsrechtliche Beschäftigungsförderungsgesetz vom 27. September 1996 eingefügte Erweiterung des § 113 Abs. 3 BetrVG wegen seiner systematischen Stellung im Gesetz lediglich die individualrechtlichen Folgen einer verzögerlichen Durchführung eines Interessenausgleichsverfahrens erfassen sollte.
Diese einseitig auf die systematische Stellung im Gesetz fixierte Auslegung entspricht aber nicht der gesetzgeberischen Intention und führt zu widersprüchlichen Ergebnissen. Der Gesetzgeber wollte, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, eine Beschleunigung des Interessenausgleichsverfahrens regeln. Dieses Verfahren liegt aber allein in der Hand der Betriebsparteien und nicht der einzelnen – betroffenen – Arbeitnehmer. Nichts spricht dafür, daß der Gesetzgeber einzelne Arbeitnehmer benachteiligen wollte, nur weil die Betriebsparteien des Interessenausgleichsverfahren gar nicht oder nur verzögerlich betreiben. Die einzelnen Arbeitnehmer haben keine Handhabe, das Verfahren in irgendeiner Weise zu beeinflussen oder gar zu beschleunigen. Sinn der Vorschrift kann es daher nur sein, die Betriebsparteien anzuhalten, daß Verfahren zügig durchzuführen, um dadurch eventuell irreparable Schäden für das Unternehmen und die damit verbundenen Arbeitsplätze abzuwenden. Folgt man der Ansicht des Betriebsrats, daß durch die Frist des § 113 Abs. 3 S. 2 und 3 BetrVG die kollektiven Ansprüche des Betriebsrats auf Durchführung des Interessenausgleichsverfahrens nicht eingeschränkt werden, so würde dies auch zu dem unbilligen Ergebnis führen, daß Arbeitnehmer, die nach Ablauf der Frist aber vor Abschluß des Verfahrens über den Interessenausgleich entlassen werden, keine Ansprüche aus § 113 Abs. 1 BetrVG herleiten können, wohl aber solche, die nach Abschluß des Verfahrens entlassen werden, wenn der Unternehmer von dem Interessenausgleich abweicht. Der Gesetzgeber hat in § 113 Abs. 3 S. 1 BetrVG klargestellt, daß der Fall der Abweichung von einem gefundenen Interessenausgleich dem Fall gleichgestellt werden soll, daß ein solcher erst gar nicht versucht worden ist.
Daß die Frist am 19. April 1997 nach ausreichender Unterrichtung und Aufforderung zur Aufnahme der Verhandlungen über einen Interessenausgleich zu laufen begann, wird auch seitens des Betriebsrates nicht in Zweifel gezogen.
Im übrigen hätte sich die Beschwerdekammer nicht in der Lage gesehen, die begehrte Verfügung ohne mündliche Anhörung zu erlassen, diese konnte aber nicht mehr innerhalb des 26. Juni 1997 durchgeführt werden, weil erst an diesem Tage das Arbeitsgericht über die Nichtabhilfe entscheiden konnte, da der Betriebsrat die Beschwerde entgegen § 569 Abs. 1 ZPO direkt an das Landesarbeitsgericht gerichtet hat.
Unterschriften
Brunnckow, Koch, Boi
Fundstellen
Haufe-Index 961016 |
ZIP 1997, 2205 |