Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterrichtungsanspruch. Betriebsrat. Zielvereinbarung. Gesundheitsschutz. Arbeitsschutz

 

Leitsatz (redaktionell)

Zu den Aufgaben des Betriebsrats gehören nach § 80 Abs. 2 S. 1 Hs 1 BetrVG alle im Katalog des § 80 Abs. 1 BetrVG genannten allgemeinen Aufgaben, und zwar unabhängig vom Vorliegen spezifischer Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte. Denn die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich für ihn Aufgaben im Sinn des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Dabei genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Die Grenzen des Auskunftsanspruchs liegen erst dort, wo ein Beteiligungsrecht offensichtlich nicht in Betracht kommt.

 

Normenkette

BetrVG § 80 Abs. 2 S. 1 Hs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 7, § 88 Nr. 1; ArbSchG § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bocholt (Beschluss vom 15.10.2010; Aktenzeichen 1 BV 12/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 15.10.2010 – 1 BV 12/10 – abgeändert.

Die Arbeitgeberin wird verpflichtet, dem Betriebsrat den Inhalt der mit den Firmenkundenberatern für die Jahre 2009 bis 2011 abgeschlossenen Zielvereinbarungen betr. „Firmenkunden: Betreuung – Beratung – Verkauf” und den Inhalt der mit den A-, B- und C-Kundenberatern für die Jahre 2009 bis 2011 abgeschlossenen Planungsübersichten einschließlich der Anlagen „Planung Volumensentwicklung” und „Planung Provisionen” mitzuteilen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten um das Bestehen bestimmter Unterrichtungsansprüche des Betriebsrates.

Im Betrieb der Arbeitgeberin werden seit Jahren mit den derzeit ca. 12 Firmenkundenberatern so bezeichnete „Zielvereinbarungen” geschlossen. Darin werden, ausgehend von der Hauptaufgabe der Betreuung, der Beratung und des Verkaufs, für die Bereiche Markt und Ergebnis, Risiko und Aktivitäten festgelegt, welche Resultate der Mitarbeiter erreichen soll und wie festgestellt werden kann, ob und in welcher Qualität das Ziel erreicht wurde.

Weiter heißt es darin:

„Durch ihre Unterschrift unter dieses Zielvereinbarungsblatt dokumentieren sowohl der Mitarbeiter als auch die Führungskraft, dass sie mit den vereinbarten Zielen einverstanden sind.”

Wegen des weiteren Inhalts wird verwiesen auf das mit arbeitgeberseitigem Schriftsatz vom 19.05.2011 eingereichte Muster (Bl. 243 f. d.A.).

Daneben kommt es mit zur Zeit ca. 120 A-, B- und C-Kundenberatern alljährlich zum Abschluss sogenannter „Planungsübersichten”, in denen unter dem Punkt „Aktivitäten” u.a. die Anzahl der Beratungen pro Tag festgelegt wird. Von zentraler Bedeutung ist der „Plandeckungsbeitrag I b” (Plan DBIb), der sich zusammensetzt aus der Summe der für die Bank erwarteten Provisionen sowie des Zinskonditionsbeitrages (ZKB). Hinsichtlich des genauen Inhalts wird verwiesen auf die ebenfalls mit arbeitgeberseitigem Schriftsatz vom 19.05.2011 eingereichte Mustervereinbarung (Bl. 245 ff. d.A.).

Mit allen insgesamt über 130 betroffenen Mitarbeitern kommt es dann im jeweils laufenden Kalenderjahr normalerweise einmal pro Monat zu einem sogenannten Zielabgleichungsgespräch.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, ihm stünden die Auskünfte über die mit den einzelnen Mitarbeitern vereinbarten Ziele jedenfalls unter dem Gesichtspunkt seines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG zu. Es könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass mit der Zielerfüllung ein unzulässiger und gesundheitsschädlicher Druck verbunden sei. Außerdem sei es für die im Betrieb eingerichtete Einigungsstelle zur Gefährdungsbeurteilung (§ 5 ArbSchG) notwendig, die notwendigen Kenntnisse über den Belastungsstand zu erhalten.

Um Entwicklungen und daraus resultierende Belastungen verlässlich erkennen zu können, sei es erforderlich, Auskünfte über die letzten drei zurückliegenden Jahre zu erhalten.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Betriebsrat die jeweiligen Zielvereinbarungen mit den einzelnen Beschäftigten für die Jahre 2008, 2009 und 2010 mitzuteilen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat darauf hingewiesen, dass die getroffenen Vereinbarungen mit den Mitarbeitern jeweils freiwillig geschlossen würden – ohne Sanktionen, namentlich auch ohne wirtschaftliche Auswirkungen. Es werde in dem Bereich nichts einseitig im Wege des Direktionsrechts angeordnet.

Weil hinsichtlich der Gefährdungsbeurteilungen ein Dritter mit der Einschätzung beauftragt werden solle, bestehe keine Notwendigkeit, dem Betriebsrat Einsicht in die „Zielvereinbarungen” zu geben; ggf. könne dieser die Fragestellung in das laufende Einigungsstellenverfahren einbringen.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 15.10.2010 den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben könne den geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht rechtfertigen. Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betr...

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