Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer Betriebsratswahl. Verstoßgegen wesentliche Wahlvorschriften. Versammlung zur Wahl des Wahlvorstands außerhalb des Betriebs
Leitsatz (redaktionell)
Eine Betriebsratswahl ist anfechtbar, aber nicht nichtig, wenn die auf Gewerkschaftseinladung stattgefundene Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes ohne einen feststellbaren Rechtfertigungsgrund nicht im Betrieb, sondern in einer mehr als sieben Kilometer entfernten Gaststätte stattgefunden hat.
Normenkette
BetrVG § 17 Abs. 2 S. 1, §§ 19, 42
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Entscheidung vom 05.07.2012; Aktenzeichen 2 BV 1/12 O) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Arbeitgebers - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 05.07.2012 - 2 BV 1/12 O - teilweise abgeändert und der Tenor insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Wahl des Betriebsrats vom 19.12.2011 wird für unwirksam erklärt.
Der weitergehende Antrag wird abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Betriebsrat zugelassen und für den Arbeitgeber nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Über das Vermögen der vormals antragstellenden Arbeitgeberin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg vom 01.04.2013 (21 IN 61/13) das Insolvenzverfahren eröffnet und der nunmehr zu 1. beteiligte Rechtsanwalt P1 als Insolvenzverwalter bestellt.
Die im M1 Betonfertigteilwerk der Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (im Folgenden kurz: Gewerkschaft) lud die dort beschäftigten Arbeitnehmer mit Schreiben vom 30.09.2011 zu einer "Wahlversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands" am 13.10.2011 um 14.00 Uhr in die Gaststätte "D1", ein.
Weiterhin heißt es im Einladungsschreiben auszugsweise wie folgt:
"Tagesordnung:
1. Ein Gewerkschaftssekretär wird die Bedeutung eines Betriebsrats für die Belegschaft und das Verfahren der Betriebsratswahl erläutern.
2. Es wird ein Wahlvorstand aus dem Kreise der Beschäftigten gewählt, der die Betriebsratswahl durchführt.
3. Aufstellen der Wählerliste durch den Wahlvorstand.
4. Erlass des Wahlausschreibens durch den Wahlvorstand.
5. Einreichung von Wahlvorschlägen für die Betriebsratswahl und Prüfung der Gültigkeit der Wahlvorschläge durch den Wahlvorstand.
6. Verschiedenes.
Wichtige Hinweise:
1. Wahlvorschläge zur Wahl des Betriebsrats können nurbis zum Ende dieser ersten Wahlversammlungzur Wahl des Wahlvorstands gemacht werden. Der Betriebsrat wird auf einer zweiten Wahlversammlung gewählt, die eine Woche nach der ersten Wahlversammlung stattfindet. Wahlvorschläge zur Wahl des Betriebsrats müssen mindestens von einem Zwanzigstel der Wahlberechtigten, mindestens jedoch von drei Wahlberechtigten unterzeichnet sein. In Betrieben mit der in der Regel bis zu zwanzig Wahlberechtigten reicht die Unterzeichnung durch zwei Wahlberechtigte.
Wahlvorschläge, die in der ersten Wahlversammlung zur Wahl des Wahlvorstands gemacht werden, bedürfen nicht der Schriftform."
In der Versammlung, an der ca. 60 der insgesamt 113 wahlberechtigten Arbeitnehmer teilnahmen, wurde auf Vorschlag der Gewerkschaft ein dreiköpfiger Wahlvorstand gewählt, bestehend aus den Mitarbeitern Z1, H1 und S1. Weil der Wahlvorstand sodann feststellte, dass mehr als 50 wahlberechtigte Arbeitnehmer erschienen waren, wurden die an ein vereinfachtes Wahlverfahren anknüpfenden Tagungsordnungspunkte 3. - 5. aus dem Einladungsschreiben nicht weiter behandelt. Stattdessen fasste der Wahlvorstand den Beschluss, das normale Wahlverfahren durchzuführen (Bl. 93 d. A.).
Auf seiner nächsten Sitzung am 03.11.2011 beschloss er dann das Wahlausschreiben, in dem die Wahl des Betriebsrates für den 19.12.2011 von 09.30 - 10.30 Uhr im Besprechungsraum Werk II anberaumt wurde (Bl. 28 f. d. A.).
In der Folgezeit ging beim Wahlvorstand ein "Wahlvorschlag K2 GmbH" ein (Bl. 99 ff. d. A.).
Am 19.12.2011 fand dann planmäßig die Wahl eines siebenköpfigen Betriebsrates statt.
Mit einem beim Arbeitsgericht am 02.02.2012 eingegangenen Antrag wendet sich die Arbeitgeberin gegen die Wirksamkeit dieser Wahl; sie hält sie für nichtig, hilfsweise für anfechtbar.
Sie hat die Auffassung vertreten, die erfolgte Einladung zur Wahlversammlung sei unwirksam, weil sie unzulässigerweise auf die Durchführung einer Wahl im vereinfachten Wahlverfahren ausgerichtet gewesen sei.
Auch müsse der ordnungsgemäße Aushang des Wahlausschreibens bestritten werden. So habe etwa der Mitarbeiter F2 von dessen Existenz nichts gewusst.
Davon abgesehen hätten die Fristen im Wahlausschreiben nur bis zum 17. und nicht bis zum 18.11.2011 laufen dürfen.
Des Weiteren sei keine Wahlvorschlagsliste wirksam beim Wahlvorstand eingegangen und von diesem veröffentlicht worden.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
festzustellen, dass die Betriebsratswahl vom 19.12.2011 nichtig ist,
hilfsweise die Betriebsratswahl vom 19.12.2011 für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Er hat die Meinung vertreten, es sei unschädlich, dass bei der Einladung zu...