Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Anfechtung. Wahlrecht. passives. Wahlbehinderung. Wahlversammlung. Betriebsratswahlanfechtung wegen Wahlbehinderung
Leitsatz (amtlich)
1. Die – wenn auch rechtsirrige – Mitteilung an einen wahlberechtigten und wählbaren Arbeitnehmer, er sei leitender Angestellter und deshalb nicht wahlberechtigt bzw. wählbar, begründet eine unzulässige Wahlbehinderung, wenn die Mitteilung nicht eindeutig als eine unverbindliche Meinungsäußerung, sondern als Aufforderung oder Wunsch für ein bestimmtes Verhalten zu verstehen ist.
2. Die Wahlbehinderung kann durch jedermann, auch durch den zur Wahlversammlung nach § 14a Abs. 1 S. 1 BetrVG Einladenden, begangen werden.
Normenkette
BetrVG §§ 8, 14a, 19-20
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 05.12.2007; Aktenzeichen 5 BV 123/07) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners (Betriebsrats) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 05.12.2007 – 5 BV 123/07 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit der Betriebsratswahl vom 13.06.2007.
Die Beteiligte zu 1. (Arbeitgeberin) betreibt in E. mit etwa 40 Arbeitnehmern einen Baumarkt. Der Beteiligte zu 3. war Marktleiter des Betriebs. Er schied zum 31.10.2007 aus den Diensten der Arbeitgeberin aus. Die Beteiligten zu 4. und 5. waren und sind Arbeitnehmer der Arbeitgeberin.
Im Betrieb der Arbeitgeberin, in dem es bisher keinen Betriebsrat gab, fand am 05.06.2007 um 18.00 Uhr auf Einladung der Gewerkschaft ver.di die erste Wahlversammlung im Rahmen des vereinfachten Wahlverfahrens für Kleinbetriebe gemäß § 14 a BetrVG statt. Wegen des Inhalts des Einladungsschreibens wird auf Anlage A 1 (= Bl. 6 f. d. A.) verwiesen. Die Wahlversammlung leitete die Gewerkschaftssekretärin Frau S. K.. Nach Begrüßung der Versammlungsteilnehmer fragte Frau K., ob leitende Angestellte anwesend sein. Sie wandte sich an den damaligen Marktleiter der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 3. Herrn D.. Über die Einzelheiten des Gesprächs zwischen Frau K. und dem Beteiligten zu 3. besteht Streit. Der Beteiligte zu 3., der unstreitig kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG war, verließ nach dem Gespräch die Wahlversammlung. Anschließend wurde ein Wahlvorstand gewählt. Dieser nahm Wahlvorschläge entgegen. Der Wahlvorstand erhielt von Frau K. in einem versiegelten Umschlag eine Wählerliste, auf der sich auch der Beteiligte zu 3. befand.
Die Betriebsratswahl fand am 13.06.2007 statt. Das Wahlergebnis wurde mit Schreiben vom 23.06.2007 durch Aushang bekannt gegeben (Anlage A 5 = Bl. 12 d. A.).
Die Arbeitgeberin und die Beteiligte zu 3. bis 5. leitete mit am 05.07.2007 7 K.K.K.Arbeitgeberin die Beteiligten zu seine K.K.wK.K. Arbeitgeberin und die Beteiligten zu K.K.f (§ 87 Abs. 1 ArbGG) (§§ 87 Abs. 2 S. 1, 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S.1 ArbGG, 519, 520 ZPO) – Erfolg angefochten worden.
a) Die Arbeitgeberin und die Beteiligten zu 3. bis 5. haben die Betriebsratswahl form- und fristgerecht angefochten. Sie gehören zu dem nach § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG anfechtungsberechtigten Personenkreis. Hiernach sind neben der Gewerkschaft und dem Arbeitgeber auch mindestens 3 wahlberechtigte Arbeitnehmer zur Wahlanfechtung berechtigt. Zwar ist der Beteiligte zu 3. mittlerweile aus dem Betrieb ausgeschieden und somit nicht mehr wahlberechtigt; dieser nachträgliche Wegfall der Wahlberechtigung hat aber keinen Einfluss auf die Anfechtungsbefugnis (BAG 04.12.1986 a. a. O.). Erforderlich aber auch ausreichend ist, dass wenigstens 3 am Wahltag wahlberechtigte Arbeitnehmer das Wahlanfechtungsverfahren eingeleitet haben und dieses bis zum Zeitpunkt der Entscheidung betreiben (Richardi/Thüsing BetrVG 11. Aufl. § 19 Rn. 38 f.). Erst wenn alle die Wahlanfechtung betreibenden Arbeitnehmer endgültig ausscheiden, entfällt das Rechtsschutzinteresse, mit der Folge, dass das Wahlanfechtungsverfahren unzulässig wird.
Sowohl die Arbeitgeberin als auch die Beteiligten zu 3. bis 5. haben mit ihren am 05.07.2007 beim Arbeitsgericht eingegangenen Anträgen die 2-wöchige Anfechtungsfrist des § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG gewahrt. Das Wahlergebnis war keine 2 Wochen vorher bekannt gegeben worden, nämlich am 23.06.2007.
b) Die Wahl des Betriebsrats vom 13.06.2007 ist gemäß § 19 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Nach dieser Vorschrift kann die Wahl beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
aa) Die Wählbarkeit ist in § 8 BetrVG geregelt. Ein Verstoß gegen diese Vorschrift kann in der Nichtzulassung eines Wählbaren zur Wahl liegen (BAG 15.12.1972 – 1 ARB 8/72 – BAGE 24, 480; 14.05.1997 – 7 ABR 26/96 – AP BetrVG 1972 § 8 Nr. 6). Das passive Wahlrecht erfährt weiterhin Schutz durch § 20 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Danach darf kein Arbeitnehmer in der Ausführun...