Wann Beschäftigte einen Betriebsrat gründen dürfen
Der Anteil an Beschäftigten, die von Betriebsräten vertreten werden, ist gerade in kleineren Betrieben überschaubar. Nur 8 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben mit 5 bis 20 Beschäftigten hatten im Jahr 2022 in Deutschland laut aktuellem IAB-Panel einen Betriebsrat. Der Anteil wächst jedoch mit der Unternehmensgröße: In Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern waren es 86 Prozent. Insgesamt wurden nur 43 Prozent der Beschäftigten im Jahr 2022 in Deutschland durch Arbeitnehmervertretungen vertreten, in der Privatwirtschaft lag der Anteil bei 39 Prozent, im öffentlichen Dienst mit 95 Prozent mehr als doppelt so hoch.
Betriebsräte können grundsätzlich in Betrieben mit mehr als fünf Beschäftigten gewählt werden. Die Größe des Betriebsrats hängt von der Anzahl der Beschäftigten ab. Doch auch wenn sich weniger Mitarbeitende um einen Betriebsratssitz bewerben als Betriebsratsmitglieder zu wählen sind, ist eine Betriebsratswahl nicht unwirksam, entschied kürzlich das Bundesarbeitsgericht.
Welche Voraussetzungen müssen generell für eine Betriebsratsgründung gegeben sein?
Betriebsrat gründen: ab wie vielen Mitarbeitern?
Die gesetzlichen Voraussetzungen damit überhaupt ein Betriebsrat gebildet werden darf, finden sich im Betriebsverfassungsgesetz – ebenso wie die wenigen Ausnahmen, die es für bestimmte Betriebe gibt.
Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 BetrVG vor, kann die Wahl eines Betriebsrats vom Arbeitgeber nicht verhindert werden. Dies bedeutet, dass in Betrieben, in denen fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind und drei Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen davon wählbar sind, grundsätzlich ein Betriebsrat gewählt werden kann.
Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und sechs Monate dem Betrieb angehören. Wählen dürfen grundsätzlich alle Beschäftigten eines Betriebs, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, auch Auszubildende, Teilzeitmitarbeitende, befristet eingestellte Arbeitnehmende, Minijobber und Werkstudenten. Arbeitnehmende eines anderen Arbeitgebers, die zur Arbeitsleistung überlassen werden, sind wahlberechtigt, wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden.
Lesen Sie hier mehr zum aktiven und passiven Wahlrecht bei der Betriebsratswahl.
Was ist ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes?
Das Betriebsverfassungsgesetz nennt das Vorhandensein eines Betriebs als Voraussetzung für die Errichtung eines Betriebsrats. Der Begriff des Betriebs ist als technisch-organisatorische Einheit zu verstehen und umfasst beispielsweise landwirtschaftliche oder gewerbliche Betriebe ebenso wie Verwaltungen jeder Art, also auch Kliniken oder Anwaltsbüros.
Vielfach werden Unternehmen so strukturiert, dass sie mehrere selbstständige Betriebe bilden. Für ein Unternehmen mit mehreren Betrieben kann ein Gesamtbetriebsrat, § 47 BetrVG, oder ein Wirtschaftsausschuss, § 106 BetrVG, errichtet werden.
Auch in einem gemeinsamen Betrieb, in dem Arbeitgeber eine einheitliche organisatorische Einheit gebildet haben, kann ein Betriebsrat gewählt werden, der dann für die Arbeitnehmer aller Arbeitgeber zuständig ist.
Bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, können Arbeitgeber, jeder beteiligte Betriebsrat, jeder beteiligte Wahlvorstand oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen.
Betriebsratsgründung: Ausnahmen für bestimmte Betriebe
Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen machte das Betriebsverfassungsgesetz eine Ausnahme: Nach § 117 Abs. 2 S. 1 BetrVG darf durch Tarifvertrag eine Vertretung gebildet werden. Der Grund lag in der besonderen, nicht ortsgebundenen Tätigkeit der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Eine ohne Tarifvertrag gebildete Vertretung ist mangels Rechtsgrundlage nichtig, entschied nicht nur das Arbeitsgericht Frankfurt im Fall von Sun Express. Durch einen Zusatz, den der Gesetzgeber zu § 117 Abs 2. beschlossen hat, ist das Betriebsverfassungsgesetz nunmehr auch für Beschäftigte im Flugbetrieb uneingeschränkt anwendbar, wenn keine tarifvertragliche Vertretung existiert. (Lesen Sie dazu: Anpassungen bei Tarifeinheit und Betriebsratsgründung beschlossen).
Für sogenannte Tendenzbetriebe gilt das Betriebsverfassungsgesetz teilweise nur eingeschränkt (§ 118 BetrVG). Dies betrifft Religionsgemeinschaften, politische Parteien oder wirtschaftspolitische Vereinigungen.
Initiative zur Gründung eines Betriebsrats muss von Mitarbeitern ausgehen
Es ist allein die Sache der Belegschaft zu entscheiden, ob im Betrieb ein Betriebsrat gewählt werden soll oder nicht. Es ist nicht die Aufgabe des Arbeitgebers, darauf hinzuwirken.
Wollen Mitarbeiter eines Betriebs zum ersten Mal einen Betriebsrat wählen, müssen sie also die Initiative ergreifen und zur Wahlversammlung einladen. In dieser wird dann der Wahlvorstand gewählt, der für die Durchführung der Betriebsratswahl zuständig ist. Alles zur Betriebsratswahl lesen Sie in unserem Top-Thema.
Wenn noch kein Betriebsrat existiert, kann die erstmalige Betriebsratswahl jederzeit durchgeführt werden. Neben den wahlberechtigten Arbeitnehmern können auch die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Wahlvorschläge machen.
Betriebsratsgründung: Pflichten für Arbeitgeber
Abgesehen davon, dass der Arbeitgeber die Gründung eines Betriebsrats nicht verhindern darf, hat er auch eine Unterstützungs- und Mitwirkungspflicht den Beschäftigten gegenüber, die zur Wahlversammlung einladen. Er ist verpflichtet, alle nötigen Unterlagen und Auskünfte zu geben, anhand derer festgestellt werden kann, welche Mitarbeitenden wahlberechtigt und welche wählbar sind. Außerdem besteht die Verpflichtung, dem sich gründenden Betriebsrat die Betriebsratswahl zu ermöglichen, sei es durch das Bereitstellen von Räumen oder Büromaterial.
Tarifvertragliche Gestaltungsmöglichkeiten: Alternative zum Betriebsrat
§ 3 BetrVG räumt den Tarifvertragsparteien flexible Gestaltungsmöglichkeiten ein, um Arbeitnehmervertretungen schaffen zu können, die auf die besondere Struktur des jeweiligen Betriebs, Unternehmens oder Konzerns passgenau zugeschnitten sind.
Erfahren Sie hier mehr über Mitarbeitervertretungen als Alternative zum Betriebsrat.
Das könnte Sie auch interessieren:
Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll Gründung von Betriebsräten erleichtern
Vergütung von Betriebsräten: Was das Gesetz vorgibt
Urteil: Betriebsrat durfte Einstellung verweigern
-
Entgeltfortzahlung: Wenn unterschiedliche Krankheiten aufeinander folgen
8.902
-
Wann Urlaubsverfall und Urlaubsübertragung möglich sind
8.6662
-
Zusatzurlaub bei Schwerbehinderung von Arbeitnehmenden
6.957
-
Wann müssen Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
6.7552
-
Urlaubsanspruch richtig berechnen
4.518
-
Wie Arbeitgeber in der Probezeit kündigen können
4.416
-
Nebenjob: Was arbeitsrechtlich erlaubt ist
3.851
-
Urlaubsanspruch bei Arbeitgeberwechsel richtig berechnen
3.55916
-
Wann Arbeitnehmende einen Anspruch auf Teilzeit haben
3.3061
-
Auswirkungen der Zeitumstellung auf Arbeitszeit und Vergütung
3.301
-
Ein arbeitsrechtlicher Rückblick auf die Ampelkoalition
21.11.2024
-
Umgang mit Geschlechts- und Namensänderungen am Arbeitsplatz
20.11.20243
-
Inflationsausgleichsprämie während Passivphase der Altersteilzeit
18.11.2024
-
Umsetzung der EU-Richtlinie für mehr Lohntransparenz
15.11.2024
-
Grundsätzliches zum Bereitschaftsdienst
14.11.2024
-
Schriftform im Arbeitsrecht: Klassische Fehler und deren Konsequenzen
13.11.2024
-
Aushangpflichtige Gesetze für Arbeitgeber 2025
12.11.2024
-
Altersfreizeit auch für Teilzeitbeschäftigte
11.11.2024
-
DSGVO-Schadensersatzanspruch wegen heimlicher Mitarbeiterüberwachung
07.11.2024
-
Vorsicht bei Weihnachtsgeschenken von Geschäftspartnern
06.11.2024