Betriebsrätemodernisierungsgesetz soll Gründung von Betriebsräten erleichtern
Das neue Betriebsrätemodernisierungsgesetz, das im ursprünglichen Referentenentwurf vom Dezember 2020 noch Betriebsrätestärkungsgesetz hieß, wirkt dem Problem entgegen, dass die Anzahl an Betriebsratsgremien in Deutschland immer geringer wird. Laut den Zahlen des IAB-Betriebspanels 2019 verfügen nur noch neun Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Westdeutschland und zehn Prozent der betriebsratsfähigen Betriebe in Ostdeutschland über einen Betriebsrat. Lediglich rund 41 Prozent der Arbeitnehmer in Westdeutschland sowie 36 Prozent in Ostdeutschland werden von Betriebsräten vertreten.
Betriebsrätemodernisierungsgesetz fördert Gründung von Betriebsräten
Als Ursache komme infrage, dass besonders kleine Unternehmen bewusst auf die Gründung eines Betriebsrats verzichten, weil hier die Formalien des regulären Wahlverfahrens eine Hemmschwelle darstellen, die es bei der Organisation einer Betriebsratswahl zu überwinden gilt. Daneben gibt es aber auch Berichte, dass in manchen Unternehmen Arbeitgeber mit zum Teil drastischen Mitteln die Gründung von Betriebsräten verhindern. Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel des neuen Gesetzes, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern sowie zugleich die Fälle der Behinderungen von Betriebsratswahlen zu reduzieren.
Ausweitung des Kündigungsschutzes durch neues Betriebsrätemodernisierungsgesetz
Im Hinblick auf die Förderung und Vereinfachung von Betriebsratswahlen sind die Möglichkeiten für ein vereinfachtes Wahlverfahren für die Wahl des Betriebsrats ausgeweitet worden. Um gleichzeitig den Schutz der Arbeitnehmer bei der Gründung eines Betriebsrats zu verbessern, ist der Kündigungsschutz derjenigen Beschäftigten verbessert worden, die zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung einladen oder die Bestellung eines Wahlvorstands beantragen. Sie sind vom Zeitpunkt der Einladung oder Antragstellung bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses unkündbar.
Virtuelle Betriebsratssitzungen als fester Bestandteil des BetrVG
Die im Zuge der Coronakrise befristet eingeführte, provisorische Möglichkeit, Betriebsratssitzungen ganz oder teilweise virtuell abhalten zu können, ist nun fester Bestandteil des Betriebsverfassungsgesetzes. Die konkreten Details, wie Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenzen künftig geregelt sein sollen, sind durch Ergänzungen der Paragraphen 30 bis 34 in das Betriebsverfassungsgesetz eingefügt worden.
Mitbestimmung beim Einsatz von künstlicher Intelligenz
Im Hinblick auf die Einbindung des Betriebsrats beim Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik im Unternehmen legt das Betriebsrätemodernisierungsgesetz fest, dass die Hinzuziehung eines Sachverständigen für Informations- und Kommunikationstechnik für den Betriebsrat als erforderlich gilt. Außerdem wird klargestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Planung von Arbeitsverfahren und -abläufen auch dann gelten, wenn der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) im Unternehmen vorgesehen ist. Darüber hinaus wird sichergestellt, dass die Rechte des Betriebsrats bei der Festlegung von Auswahlrichtlinien zur Personalauswahl auch dann Anwendung finden, wenn diese Richtlinien ausschließlich oder mit Unterstützung von KI erstellt werden.
Stärkung des Betriebsrats bei Weiterbildung und mobiler Arbeit
Zur Stärkung der Rechte des Betriebsrats bei der Qualifizierung baut das Betriebsrätemodernisierungsgesetz das allgemeine Initiativrecht der Betriebsräte bei der Berufsbildung aus und ermöglicht bei Uneinigkeit über Maßnahmen der Berufsbildung die Einschaltung der Einigungsstelle zur Vermittlung.
Hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat, ist mit der Einfügung eines neuen § 79a BetrVG eine klarstellende gesetzliche Regelung geschaffen worden. Auch wenn der Betriebsrat Daten verarbeitet, ist der Arbeitgeber der für die Verarbeitung Verantwortliche im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften.
Zu Förderung mobiler Arbeit und zum Schutz der Arbeitnehmer bei Wahrnehmung von Homeoffice ist in § 87 Absatz 1 Nr. 14 BetrVG ein neues Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit eingeführt worden.
Tipp: Interaktive Grafik zeigt alle Änderungen auf einen Blick Wer es sich leicht machen möchte, nutzt diese interaktive Grafik von Haufe, die einen kompakten Überlick zu allen Änderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz liefert. |
Weitere Neuerungen
Das Mindestalter für die Wahlberechtigung wurde von der Vollendung des 18. auf die Vollendung des 16. Lebensjahres abgesenkt. Klargestellt wurde zudem, dass die Verschwiegenheitspflichten der oder des Datenschutzbeauftragten auch solche Informationen umfassen, deren Bekanntgabe an den Arbeitgeber die interessenvertretungsrechtliche Unabhängigkeit des Betriebsrats berühren. Wie für den Sprecherausschuss und den Gesamtsprecherausschuss wurde mit einer Ergänzung auch für den Konzernsprecherausschuss die Möglichkeit der Sitzungsteilnahme per Video- und Telefonkonferenz eröffnet.
Erweitert wurde auch der Unfallversicherungsschutz bei Tätigkeiten im Homeoffice. Zwar erstreckte sich der bisherige Versicherungsschutz auf sogenannte Betriebswege, etwa zum Drucker in einem anderen Raum, nicht jedoch auf Wege im eigenen Haushalt zur Nahrungsaufnahme oder zum Toilettengang. Hier hielt der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung beim Versicherungsschutz für geboten. Darüber hinaus ist der Unfallversicherungsschutz bei einer Homeoffice-Tätigkeit auch auf Wege ausgedehnt worden, die die Beschäftigten zur Betreuung ihrer Kinder außer Haus zurücklegen.
Das Gesetz ist nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 18. Juni 2021 in Kraft getreten.
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