Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfolgen der verspäteten Einladung zur Betriebsversammlung zwecks Wahl eines Wahlvorstandes
Leitsatz (amtlich)
Die nicht rechtzeitige Einladung zur Betriebsversammlung zwecks Wahl eines Wahlvorstands nach § 17 BetrVG kann zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl führen, wenn nicht sichergestellt ist, dass alle Arbeitnehmer des Betriebes von ihr Kenntnis nehmen können und dadurch die Möglichkeit erhalten, an der Betriebsversammlung teilzunehmen und an der Wahl des Wahlvorstandes mitzuwirken.
Normenkette
BetrVG § 17
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 31.08.2011; Aktenzeichen 6 BV 17/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 31.08.2011 6 BV 17/11 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A
Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl.
Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt in B1 einen Veranstaltungsbetrieb (Diskothek, Konzerte u.a.) mit ca. 116 Arbeitnehmern/innen. Die Arbeitnehmer sind tätig als Thekenpersonal, in der Haustechnik, in der Buchhaltung, in der Werbung, als Servicekräfte, im Sanitärdienst, als Kassenpersonal, als Disc-Jockey (DJ), als Licht-Jockey (LJ), als Promotor, als Sicherheitspersonal (Türsteher), in der Garderobe und in der Küche. Bei den Beschäftigten der Arbeitgeberin handelt es sich zum weitaus überwiegenden Teil um Teilzeitkräfte im geringfügig beschäftigten Bereich, insbesondere Schüler und Studenten.
Im Betrieb der Arbeitgeberin gab es bislang keinen Betriebsrat.
Unter dem 19.10.2010 luden drei Arbeitnehmer der Arbeitgeberin per Aushang, der an zwei Stellen im Betrieb erfolgte, zu einer Betriebsversammlung am 31.10.2010 um 19.45 Uhr in den Betriebsräumlichkeiten ein, um die Möglichkeit einer Betriebsratswahl zu besprechen und gegebenenfalls einen Wahlvorstand zu bestellen. Auf den Inhalt des Aushanges vom 19.10.2010 (Bl. 13 d. A.), der am Nachmittag des 19.10.2010 erfolgte, wird Bezug genommen.
Mit E-Mail vom 19.10.2010 (Bl. 14 d. A.) bat die Arbeitgeberin die Initiatoren, den Termin der Betriebsversammlung zu verschieben, da er in die Vorbereitungsphase der Halloween-Party fiel. Nachdem einer der Unterzeichner des Aushanges vom 19.10.2010 der Arbeitgeberin mitgeteilt hatte, die Änderung des Termins für die Betriebsversammlung müsse zunächst abgestimmt werden, teilten die Initiatoren der Arbeitgeberin am 25.10.2010 mit, dass der Termin für die Betriebsversammlung vom 31.10.2010 auf 18.00 Uhr vorverlegt worden sei.
In den schriftlichen Aushängen wurde daraufhin am 25.10.2010 handschriftlich die Uhrzeit geändert. Wie deutlich die Änderung vorgenommen worden ist, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Parallel zu den beiden Aushängen der Einladung vom 19.10.2010 zur Betriebsversammlung vom 31.10.2010 hatten die Initiatoren den Mitarbeiter R1, dessen Zuständigkeit im Betrieb der Arbeitgeberin streitig ist, gebeten, das Einladungsschreiben per E-Mail an alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin zu versenden, soweit dieser über E-Mail-Adressen verfügte. Dieser Bitte kam der Mitarbeiter R1 sowohl für die ursprüngliche Einladung vom 19.10.2010 als auch für die in der Uhrzeit geänderte Einladung nach, soweit er über E-Mail-Adressen verfügte. Auf den entsprechenden E-Mail-Verkehr (Bl. 89 ff. d. A., 149, 150 d. A.) wird Bezug genommen. In den vom Mitarbeiter R1 versandten E-Mails bat dieser alle Koordinatoren der Arbeitgeberin, die Informationen innerhalb des jeweiligen Teams weiterzuleiten, da ihm nicht alle E-Mail-Adressen vorlägen bzw. nicht mehr aktuell seien.
Nach den Recherchen der Arbeitgeberin gingen die entsprechenden E-Mails des Mitarbeiters R1 ca. 56 Mitarbeitern der Arbeitgeberin zu.
In dem Zeitraum vom 19. bis zum 30.10.2011 gab es im Betrieb der Arbeitgeberin sechs Öffnungstage:
Freitag, 22.10.2011 Disco
Samstag, 23.10.2011 Disco
Mittwoch, 27.10.2011 Konzert
Donnerstag, 28.10.2011 Konzert
Freitag, 29.10.2011 Konzert und Disco
Samstag, 30.10.2011 Disco
Ob alle Mitarbeiter der Arbeitgeberin von der für den 31.10.2010 geplanten Betriebsversammlung und der geänderten Uhrzeit Kenntnis nehmen konnten, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Die Betriebsversammlung wurde am 31.10.2010, beginnend um 18.22 Uhr, abgehalten. Zu Beginn der Betriebsversammlung waren 43 Personen erschienen. Eine Teilnehmerin war nicht Arbeitnehmerin der Arbeitgeberin, sondern freie Mitarbeiterin.
Im Verlaufe der Versammlung erschienen vier weitere Personen.
Auf der Betriebsversammlung wurde ein fünfköpfiger Wahlvorstand mit folgendem Abstimmungsergebnis gewählt:
"Vorschlag 1: pro: ca. 46 contra: 0 Enthaltungen: 1
Vorschlag 2: pro: ca. 46 contra: 0 Enthaltungen: 1
Vorschlag 3: pro: ca. 45 contra: 0 Enthaltungen: 2
Vorschlag 4: pro: ca 43 contra: 0 Enthaltungen: 4
Vorschlag 5: pro: ca. 45 contra: 0 Enthaltungen: 2"
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll der Betriebsversammlung vom 19.10.2010 (Bl. 15 ff. d. A.) Bezug genommen.
Nach Beendigung der Betriebsversammlung erschienen gegen 19...