Entscheidungsstichwort (Thema)
Erforderlichkeit einer Schulungsveranstaltung. Freistellungsanspruch des Betriebsrats. Wiederholungs-,Vertiefungsschulung. aktueller betriebsbezogener Anlass. Berücksichtigung bereits erworbener Kenntnisse und Erfahrungen. Höhe der Kosten. Anrechnung ersparter Haushaltsaufwendungen. ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats für Einleitung des Verfahrens und für Entsendung des Betriebsratsmitglieds. zeitweilige Verhinderung bei Mutterschutz und Elternzeit
Leitsatz (amtlich)
Auch wenn ein Betriebsratsmitglied während der Zeit des Mutterschutzes oder der Elternzeit berechtigt ist, an Betriebsratssitzungen teilzunehmen, liegt eine zeitweilige Verhinderung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG jedenfalls dann vor, wenn das wegen Mutterschutz oder Elternzeit abwesende Betriebsratsmitglied dem Betriebsratsvorsitzenden positiv angezeigt hat, dass es während dieser Zeit keine Betriebsratstätigkeit durchführen möchte (im Anschluss an BAG 25.05.2005 – 7 ABR 45/04 – AP BetrVG 1972 § 24 Nr. 13).
Normenkette
BetrVG § 25 Abs. 1, §§ 29-30, 33 Abs. 1-2, § 37 Abs. 6, § 40 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Herne (Beschluss vom 09.03.2010; Aktenzeichen 2 BV 74/09) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 09.03.2010 – 2 BV 74/09 – unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen teilweise abgeändert.
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, den Betriebsrat von den Seminarkosten in Höhe von 572,10 EUR für das Seminar Nr. 1411-810 161, Titel „Sanktionsmöglichkeiten des Betriebsrats", gegenüber ver.di b + b freizustellen.
Im Übrigen wird der Antrag des Betriebsrats abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten über die Kosten für die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung.
Der Arbeitgeber betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Aufgrund eines Anerkennungstarifvertrages finden im Betrieb des Arbeitgebers die Tarifverträge des Einzelhandels Anwendung. Die einzelnen Verkaufsstellen sind organisatorisch bestimmten Bezirken zugeordnet, die ihrerseits vier in der Bundesrepublik Deutschland gebildeten Vertriebsbüros untergeordnet sind.
Für den Bezirk H2/R1 ist der antragstellende Betriebsrat, der ursprünglich aus sieben Mitgliedern, seit der Betriebsratswahl 2010 noch aus fünf Mitgliedern besteht, gewählt. Die Beteiligte zu 3. ist seit 2003 Betriebsratsvorsitzende. Der im Bezirk H2/R1 gewählte Betriebsrat ist derzeit für ca. 19 Verkaufsstellen zuständig, in denen insgesamt etwa 90 Mitarbeiter/innen tätig sind.
In der Vergangenheit besuchte die Betriebsratsvorsitzende Grundlagenseminare zum Betriebsverfassungsgesetz. So nahm sie vom 02.02. bis 06.02.2004 an dem Seminar „Mensch geht vor!” über personelle Angelegenheiten (BR II) teil. Am dritten Seminartag wurden nach dem Seminarplan als einer von sechs Punkten auch die Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrats nach § 101 BetrVG behandelt.
Vom 15.03. bis 19.03.2004 nahm die Beteiligte zu 3. an einer weiteren betriebsverfassungsrechtlichen Schulungsveranstaltung „Agieren statt reagieren” über soziale Angelegenheiten (BR III) teil. Am dritten Seminartag wurden nach dem Seminarplan als einer von sieben Punkten auch die Durchsetzungsmöglichkeiten des Betriebsrats und der Unterlassungsanspruch behandelt. In der vorangegangenen Wahlperiode besuchte die Betriebsratsvorsitzende ferner das betriebsverfassungsrechtliche Grundlagenseminar BR IV. Ferner nahm sie an weiteren Seminaren von insgesamt drei bis vier Tagen zu den Themen Arbeitszeit und Eingruppierung teil.
In seiner Sitzung vom 07.10.2008 beschloss der Betriebsrat, die Beteiligte zu 3. zu dem von ver.di b + b in H3 veranstalteten Seminar „Sanktionsmöglichkeiten des Betriebsrats” vom 16./17.10.2008 zu entsenden. Auf den Seminarplan dieses Seminars (Bl. 4, 32 f. d. A.) wird Bezug genommen.
Zu der Betriebsratssitzung vom 07.10.2008 war schriftlich eingeladen worden. Auf diese Einladung (Bl. 86 f. d. A.) sowie auf das Protokoll der Betriebsratssitzung vom 07.10.2008 (Bl. 88 f. d. A.) wird Bezug genommen. Ob der Beschluss des Betriebsrats vom 07.10.2008 ordnungsgemäß zustande gekommen ist, weil zwei in Mutterschutz befindliche Betriebsrats- bzw. Ersatzmitglieder nicht geladen wurden, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Mit Schreiben vom 07.10.2008 (Bl. 90 f. d. A.) teilte der Betriebsrat dem Arbeitgeber die beabsichtigte Entsendung der Betriebsratsvorsitzenden zu dem Seminar vom 16./17.10.2008 mit und fügte dem Schreiben den Themenplan und eine Kostenaufstellung bei.
Der Arbeitgeber verweigerte gegenüber dem Betriebsrat eine Kostenübernahme mit der Begründung, die Seminarteilnahme sei nicht erforderlich.
Dennoch nahm die Beteiligte zu 3. an dem am 16./17.10.2008 in H3 stattfindenden Seminar teil.
Der Seminarveranstalter ver.di b + b übersandte am 07.10.2008 an die Beteiligte zu 3. unter der Adresse: „S1 Drogeriemarkt, V1, K3 25, 43 D1” eine Rechnung über die Seminargebühren in Höhe von 380,00 EUR zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer (Bl. 95 d. A.).
Mit ...