Entscheidungsstichwort (Thema)
Persönliche Inanspruchnahme des Gesellschafters einer GmbH & Co. KG durch den Insolvenzverwalter gemäß § 93 InsO
Leitsatz (amtlich)
Keine Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters einer OHG für Verbindlichkeiten der Gesellschaft (hier Arbeitnehmeransprüche) gemäß §§ 128, 160 HGB, die aufgrund eines Betriebsübergangs gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB entstanden sind, wenn der Gesellschafter zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs gesellschaftsrechtlich bereits aus der OHG ausgeschieden war, sein Wechsel in die Stellung eines Kommanditisten aber erst später in das Handelsregister eingetragen worden ist und die Arbeitnehmer die Arbeitsverhältnisse danach widerspruchslos fortgesetzt haben (§ 15 Abs. 2 HGB).
Normenkette
HGB §§ 128, 160 Abs. 1, 3, § 162 Abs. 1, 3, § 15 Abs. 1-2; BGB § 613a Abs. 1-2; InsO § 93
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten zu 1) wird das am 14.06.2005 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Münster – 3 Ca 563/04 – abgeändert.
Die gegen den Beklagten zu 1) gerichtete Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gegen den Beklagten zu 1) geführten Rechtsstreits und die Kosten seiner Streithelfer trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 27.12.2002 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma U2-T1 GmbH & Co. KG bestellt. Mit der vorliegenden, am 21.02.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage macht er gestützt auf § 93 InsO die persönliche Haftung der ausgeschiedenen Gesellschafter geltend. Das Verfahren gegen die Beklagten zu 2) und weitere Beklagte ist gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Vorliegend geht es um die Nachhaftung des Beklagten zu 1) für Arbeitnehmerverbindlichkeiten aus dem Zeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zu seinem Ausscheiden am 25.02.1999.
Die Insolvenzschuldnerin wurde von dem Beklagte zu 1) und der U2-T1 AG gemäß Gesellschafterbeschluss vom 10.09.1998 als OHG mit dem Namen „U2-T1 Holding OHG” errichtet und am 14.10.1998 in das Handelsregister des Amtsgerichts Warendorf eingetragen.
Mit der Gründung der Schuldnerin war die Absicht verbunden, die aus mehr als 40 Unternehmen bestehende U2-Unternehmensgruppe neu zu ordnen. Die U2-Unternehmensgruppe unterhielt Filmtheater, Beteiligungen an Kinobetriebsgesellschaften und befasste sich mit der Kinowerbung sowie der Verwaltung und Vermietung des eigenen Immobilienbesitzes.
Mit Gesellschafterbeschluss vom 27.11.1998 beschlossen der Beklagte zu 1) und die U2 AG als Gründungsgesellschafter der Insolvenzschuldnerin einstimmig, deren Festkapital mit Wirkung zum 01.01.1999 auf 15.000.000,00 DM zu erhöhen und weitere Gesellschafter aufzunehmen.
Mit Einbringungs- und Übertragungsvertrag vom 04.12.1998 wurde vereinbart, Kinobetriebe, an denen der Beklagte zu 1) bzw. dessen Familie beteiligt waren, sowie Kinobetriebe der U2-T1 AG auf die U2 OHG gegen Gewährung von Gesellschaftsanteilen zu übertragen. Es war Ziel der vorgesehenen Umstrukturierung, die mit dem Kinobetrieb und der Kinowerbung verbundenen Aktivitäten von den übrigen Tätigkeiten der U2-Unternehmensgruppe, insbesondere der Verwaltung und Vermietung des Immobilienbesitzes, zu trennen. Gründungsgesellschafter der U2-T1 Holding OHG waren zum einen der Beklagte zu 1) mit einer Beteiligungsquote von 60 % und die U2-T1 AG mit einer Beteiligungsquote von 40 %. Nach Abschluss des Einbringungs- und Übertragungsvertrages vom 14.12.1998 sollte die U2-T1 Holding OHG in eine GmbH & Co. KG umgewandelt werden. Als Stichtag für die Übertragung der Kinobetriebe auf die U2 OHG wurde der 31.12.1998 23.59 Uhr vereinbart. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der notariellen Urkunde (Bl. 79 – 137 d. A.) Bezug genommen.
Im Zusammenhang mit der Übertragung der im Einzelnen aufgeführten Kinobetriebe heißt es jeweils, dass die U2 OHG ab dem Stichtag in alle zu den jeweiligen Kinobetrieben gehörenden Arbeitsverhältnisse eintritt und gemäß § 613 a BGB sämtliche Verpflichtungen aus diesen Arbeitsverhältnissen übernimmt. Ferner heißt es in § 41 des Einbringungs- und Übertragungsvertrages vom 14.12.1998:
„Sollten zu den übertragenen KINOBETRIEBEN oder der U2-VERWALTUNG gehörende Arbeitnehmer nicht auf U2 OHG übergehen, z.B. aufgrund Widerspruchs oder Ablehnung des Angebots zum Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages, so stehen U2 OHG insoweit keine Rechte zu.”
Die Pensionsansprüche der am 01.01.1999 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehenden Arbeitnehmer sollte die U2 OHG vollumfänglich allein tragen.
Mit Vertrag vom 14.12.1998 beschlossen der Beklagte zu 1) und die U2 AG als Gründungsgesellschafter der U2-T1 Holding OHG, die A7-P3 B4 GmbH als neue persönliche Gesellschafterin aufzunehmen und durch den jeweils eigenen Wechsel in die Kommanditistenstellung die Schuldnerin zu einer GmbH & Co. KG umzugestalten.
Der Kläger meint, der Beklagte zu 1) sei erst durch den Vertrag vom 25.02.1999 (Bl. 141 bis 148 GA) als Gesellscha...