Entscheidungsstichwort (Thema)

Richtlinienkonforme Auslegung des § 13 Abs. 1 BUrlG

 

Leitsatz (amtlich)

Unter Geltung des Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG bleibt § 15 Abs. 4 MTV Einzelhandel NRW vom 25.07.2008, wonach jeglicher Urlaubsanspruch erstmals nach mehr als dreimonatiger Zugehörigkeit zu demselben Betrieb oder Unternehmen entsteht, unangewendet.

 

Normenkette

BUrlG § 13 Abs. 1; MTV Einzelhandel NRW § 15 Abs. 4; Richtlinie 2003/88/EG Art. 7

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Urteil vom 07.07.2009; Aktenzeichen 3 Ca 743/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 07.07.2009 – 3 Ca 743/09 – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 61,33 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.03.2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zu 6/7, die Klägerin zu 1/7.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltungsansprüche der Klägerin.

Die am 11.08.1989 geborene Klägerin war vom 04.08.2008 bis zum 11.10.2008 bei der Beklagten als Aushilfe mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 10 Stunden wöchentlich beschäftigt. Ihr Stundenlohn belief sich auf 7,37 EUR brutto. Kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit finden auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen Anwendung. Nach § 15 des Manteltarifvertrages vom 25.07.2008 beträgt der Urlaub je Kalenderjahr bis zum vollendeten 20. Lebensjahr 30 Werktage. § 15 enthält außerdem die folgenden Bestimmungen:

„…

4. Jeglicher Urlaubsanspruch entsteht erstmalig nach mehr als dreimonatiger ununterbrochener Zugehörigkeit zu demselben Betrieb/Unternehmen.

9. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten. Hierbei ist je Urlaubstag 1/26 des Monatseinkommens zugrunde zu legen.

…”

Mit Schreiben vom 04.12.2008 machte die Klägerin, der während des Arbeitsverhältnisses kein Urlaub gewährt worden war, unter anderem aufgerundet drei Urlaubstage geltend. Unter Berufung auf die tarifliche Regelung wies die Beklagte diesen Anspruch mit Schreiben vom 08.01.2009 zurück. Mit ihrer am 13.03.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin Abgeltung ihres Urlaubsanspruchs für zwei Tage, die sie mit 73,60 EUR netto berechnet.

Durch Urteil vom 07.07.2009 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein Anspruch der Klägerin bei Anwendung des § 5 Abs. 4 und 5 MTV nicht ersichtlich sei. Die tarifvertraglichen Normen verstießen nicht gegen die unabdingbaren Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes und auch nicht gegen europäisches Recht. Aufgrund der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit müsse Tarifvertragsparteien zugestanden werden, in einem Tarifvertrag eine Entscheidung über das Entstehen eines Anspruchs der Arbeitnehmer auf Teilurlaub zu treffen, die nach anzuwendendem europäischen Recht vom Gesetzgeber in dieser Form nicht getroffen werden könne.

Gegen dieses der Klägerin am 27.07.2009 zugestellte Urteil, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands Bezug genommen wird, hat sie am 27.08.2009 Berufung eingelegt. Ihre Berufung hat die Klägerin nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 28.10.2009 am 27.10.2009 begründet. Die Klägerin rügt, dass es gar nicht darauf ankomme, dass die eigentliche konkret einschränkende Regelung des Urlaubsanspruchs im einschlägigen Tarifvertrag enthalten sei. Die Verletzung europäischen Gemeinschaftsrechts bestehe in der Tatsache, dass der nationale Gesetzgeber des Bundesurlaubsgesetzes den Tarifvertragsparteien diese europarechtswidrige Einschränkung des Urlaubsrechts erlaube. Auch die Rundungsregelung des § 5 Abs. 2 BUrlG erweise sich als nicht europarechtskonform. Sie habe eine Benachteiligung in kurzzeitigen Arbeitsverhältnissen zur Folge. Insgesamt seien bei zunehmenden nur kurzfristig vereinbarten Arbeitsverhältnissen gerade im Einzelhandel immer mehr Arbeitnehmer von Urlaubsansprüchen gänzlich ausgeschlossen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 07.07.2009 – 3 Ca 743/09 – abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 73,60 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.03.2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass mit dem MTV Einzelhandel NRW kein Verstoß gegen die Richtlinie vorliege, da deren Normadressat ein Staat sei. Die Regelung in § 13 BurlG sei eindeutig und ließe keinen Raum für eine europarechtskonforme Auslegung. Auch die Kombination von § 13 BUrlG und des Tarifvertrages stellte keine Verletzung des Art. 7 der Richtlinie dar. Nach der Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts unterliege der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Teilurlaub der G...

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