Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsvereinbarung als Scheingeschäft. Geänderte Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von Verträgen über Prostitutionsdienstleistungen. Leistungswille des Schuldners als Voraussetzung des Annahmeverzuges des Gläubigers. Zeugnisanspruch bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Zahlungsansprüche und Zeugnisanspruch aus einem Scheinarbeitsvertrag, dem tatsächlich ein Prostitutionsvertrag (Sugar-Daddy-Verhältnis) zugrunde lag.

 

Normenkette

GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BGB §§ 138, 297; ProstG §§ 1, 3; GewO § 109 Abs. 1; BGB § 611a S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Bochum (Entscheidung vom 12.09.2018; Aktenzeichen 5 Ca 275/18)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 12.09.2018 - 5 Ca 275/18 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird auch insoweit abgewiesen, wie die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 460,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 01.03.2018 begehrt.

Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz trägt die Klägerin zu 61 %, die Beklagte zu 39 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 36 %, die Beklagte zu 64 %.

Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltansprüche der Klägerin, ihren Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses sowie einer Entgeltabrechnung aus einem beendeten Vertragsverhältnis.

Die Klägerin ist 35 Jahre alt, bezog Grundsicherung für Arbeitssuchende und ist Mutter dreier Kinder im Alter von 19, 12 und 7 Jahren.

Eine frühere Mitarbeiterin des Beklagten erzählte diesem im Sommer 2017, sie habe eine Freundin - die Klägerin -, die einen älteren Mann als "Sugar Daddy" suche, der sie finanziell unterstütze, sie biete dafür Geschlechtsverkehr an. Am 5. Juni 2017 schickte sie ihm ein Foto der Klägerin über Whatsapp (Bl. 48 d. A.). Er zeigte sich interessiert.

Am 10. Juni 2017 trafen sich die Parteien zusammen mit der ehemaligen Beschäftigten im Café in I. Nach Behauptung des Beklagten vereinbarten die Parteien, die Klägerin werde ihn zweimal wöchentlich zu Hause zu einvernehmlichem Sex aufsuchen, und zwar jeweils mittwochs und samstags oder sonntags. Sie solle ihn sporadisch zu gemeinsamen Abendessen mit Freunden sowie zwei- bis dreimal jährlich zu einem Kurzurlaub begleiten. Die Klägerin behauptet, sie habe Geschlechtsverkehr abgelehnt. Der Beklagte behauptet, es sei noch am Abend des 10. Juni 2017 zu Geschlechtsverkehr gekommen, der nach kurzer Zeit habe abgebrochen werden müssen, weil die Klägerin an einer Armverletzung gelitten habe.

Die Parteien schlossen einen undatierten als "Teilzeitarbeitsvertrag für Arbeiter und Angestellte ohne Tarifbindung" bezeichneten Vertrag (Bl. 3 - 6 d. A.). Nach § 1 des Vertrages sollte am 1. Juni 2017 ein Arbeitsverhältnis beginnen. Nach § 3 des Vertrages wurde die Klägerin als teilzeitbeschäftigte Hauswirtschafterin mit den Aufgaben Putzen, Wäschewaschen, Bügeln, Einkauf, Kochen und für sonstige haushaltsübliche Verrichtungen eingestellt. In § 4 des Vertrages verpflichtete sich der Beklagte zur Zahlung einer monatlichen Bruttovergütung von 460,00 Euro - 10,00 Euro/Stunde. In § 5 wurde die Arbeitszeit auf dreimal wöchentlich vormittags festgelegt. Nach § 6 erwarb die Klägerin ausgehend von einer Fünf-Tage-Woche einen Urlaubsanspruch von 25 Urlaubstagen jährlich,

Die Parteien führten einen regen Whatsappverkehr (Bl. 71 - 83, Bl. 113 - 124 d. A.). In den Monaten Juni bis August 2017 schickte die Klägerin dem Beklagten per Whatsapp zahlreiche erotische Fotos (Bl. 49 - 65 d. A.). Am 11. Juni 2017 sendete sie ihm ein Foto ihrer Armverletzung mit dem Zusatz "Schrmerca" (Bl. 113 d. A.). Unter anderem schrieb sie an diesem Tag "Nexte Mal Ich bin hood" (Bl. 114 d.A.). Der Beklagte antwortete "Du warst auch gestern gut, ich fand es schön". Die Klägerin kommentierte mit "Fur 1mal nich slecht".

Am 28. September 2017 schrieb sie "Und onse Samstag ... wilt du zu hause blieb? Fahren...? Party machen? Koks-party? Andere Frau wir meinem? ...Hast du idea??!" Bl. 115 d.A.). In einer weiteren Whatsappnachricht erklärte sie "Yes. Morgen we sex machen dan besser is" (Bl. 116 d.A.). Am 29. November 2017 schickte sie erotische Fotos mit der Anmerkung "Baby you see my weed?" (Bl. 118 d. A.). Am 4. Dezember 2017 schrieb sie unter anderem "I make give you sex of dream aber das is toya" (Bl. 119 d.A.). Am 26. Dezember 2017 schlug sie ihm eine Fahrt in einen Club nach Amsterdam vor (Bl. 120 d.A.).

Auch in dem weiteren vorgelegten Whatsappverkehr war der Wunsch des Beklagten nach Sex ständiges Thema. Unter anderem schrieb er "Nicht Sex, ich möchte Zeit mit dir. Wann hatten wir Sex? Ich habe gesagt, dass ich dir Zeit lasse dafür. Aber ich möchte ein bisschen Zeit mit dir". Die Klägerin antwortete "Ja ... Mittwoch und zwei Samstag Nacht ... sicilia ... du gesacht. Pare mal Wan ich wilt hat fiel zeid mit man dan ich sagen a...

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