Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung. ordentlich. betriebsbedingt. Betriebsratsmitglied. Wirksamkeit
Leitsatz (redaktionell)
Auf der Basis des § 15 KSchG besteht für den Arbeitgeber die Möglichkeit, im Fall einer beabsichtigten Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen aller Arbeitnehmer dies auch gegenüber Betriebsratsmitgliedern einseitig durchzusetzen. Der Arbeitgeber kann nämlich betriebsbedingte Gründe zur Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung nach § 15 Abs. 1 S. 1 KSchG heranziehen – und zwar regelmäßig unter Gewährung einer sozialen Auslauffrist, die sich an der Länge der fiktiv geltenden ordentlichen Kündigungsfrist zu orientieren hat.
Normenkette
KSchG § 15 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 28.04.2009; Aktenzeichen 2 Ca 122/09) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 28.04.2009 – 2 Ca 122/09 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen, betriebsbedingten Änderungskündigung.
Die am 17.10.1967 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01.04.1999 als „Research Executive” tätig, wofür sie zuletzt eine Bruttomonatsvergütung in Höhe von 3.229,51 Euro erhielt.
Es besteht ein schriftlicher Arbeitsvertrag, auf den als Anlage zum Klageschriftsatz vom 07.01.2009 Bezug genommen wird (Bl. 6 ff. d. A.).
Die Beklagte gehört einer Gruppe von Markt- und Meinungsforschungsunternehmen an. In ihrem Betrieb in B2 besteht ein Betriebsrat, dessen Mitglied die Klägerin ist.
Mit Schreiben vom 18.12.2008, zugegangen am 20.12.2008, sprach die Beklagte der Klägerin „die ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen” zum 31.03.2009 aus und bot ihr zugleich die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe eines „anliegenden Arbeitsvertrages” an. Wegen des Inhalts der Änderungskündigung und des Inhalts des Vertragsentwurfes wird Bezug genommen auf die entsprechenden Anlagen zum Klageschriftsatz vom 07.01.2009 (Bl. 22 ff. d. A.) und zum Beklagtenschriftsatz vom 30.10.2009 (Bl. 89 ff. d. A.).
Die Klägerin nahm das Angebot am 06.01.2009 unter Vorbehalt an.
Die Beklagte verfolgt mit der Änderungskündigung letztlich das Ziel, eine Vereinheitlichung der Arbeitsbedingungen in allen Unternehmen der Unternehmensgruppe herbeizuführen. Namentlich betroffen sind die Bereiche der Arbeitszeit, des 13. Monatseinkommens, des Urlaubs und der Verfallfristen. Bislang auf tariflichen Regelungen fußende Bestimmungen sollen durch solche einer Gesamtbetriebsvereinbarung ersetzt werden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, schon wegen ihres bestehenden Sonderkündigungsschutzes sei die ordentliche Änderungskündigung unwirksam. Davon abgesehen sei diese auch sozial ungerechtfertigt.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 18.12.2008 unwirksam ist
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Meinung geäußert, im Rahmen einer – wie hier – erfolgten Massenänderungskündigungsmaßnahme bestehe kein Sonderkündigungsschutz nach § 15 KSchG. In der Sache sei die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt, um standort- und unternehmensübergreifend einheitliche Arbeitsbedingungen durchzusetzen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.04.2009 der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die ordentliche Änderungskündigung sei nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unwirksam. Es gelte nämlich unterschiedslos auch im Falle sogenannter Massenänderungskündigungen der besondere Kündigungsschutz für Betriebsratsmitglieder, so dass außerhalb des § 15 Abs. 4, Abs. 5 KSchG jeder Art einer ordentlichen, betriebsbedingten (Änderungs-)Kündigung ausgeschlossen sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Vorab weist sie daraufhin, dass sie zunächst eine Massenentlassungsanzeige eingereicht habe, weil zu dem Zeitpunkt nicht absehbar gewesen sei, dass sich letztlich nur neun Arbeitnehmer gegen die Änderung der Arbeitsbedingungen gewehrt, während 96 % der B2 Beschäftigten ihr Einverständnis erklärt hätten.
Sie meint, für eine Änderungskündigung wie hier, die im Rahmen einer Massenänderungskündigung erfolge, gelte § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nicht. Andernfalls sei eine unzulässige Ungleichbehandlung gegeben, weil von einer Massenänderungskündigung alle Arbeitnehmer, ob Amtsträger oder nicht, gleichermaßen betroffen seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 28.04.2009 – 2 Ca 122/09 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass es auch bei Massenänderungskündigungen keine Einschränkung des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG gebe. Im Übrigen beständen auch keine Gründe für die streitbefangene Kündigung.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Zu Recht ist das Arbeitsgericht nämlich zu dem Ergebnis gelangt, dass d...