Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksame Anfechtung eines Aufhebungsvertrages bei unbegründeter Kündigung. Daten auf betrieblichem Rechner als Kündigungsgrund. Fahrlässige Nebenpflichtverletzung durch Begünstigung der Verbreitung diskriminierender Äußerungen über andere Mitarbeiter
Leitsatz (redaktionell)
Das Drohen mit einer Kündigung, die aller Voraussicht nach einer Überprüfung durch das Arbeitsgericht nicht standhalten wird, ist widerrechtlich.
Normenkette
BGB §§ 123, 142, 241 Abs. 2, § 626
Verfahrensgang
ArbG Herford (Entscheidung vom 20.11.2019; Aktenzeichen 2 Ca 492/19) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Herford vom 20.11.2019 - 2 Ca 492/19 wird auf Kosten der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des arbeitsgerichtlichen Urteils zu Ziff. 1 wie folgt gefasst wird:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis über den 31.12.2019 hinaus fortbesteht.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch eine schriftliche Vereinbarung vom 22.05.2019 zum 31.12.2019 aufgelöst worden ist.
Der 19XX geborene, geschiedene und einer Tochter zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der dem Kündigungsschutzgesetz unterfallenden Beklagten seit dem 01.08.2020 abmahnungsfrei beschäftigt, zuletzt in der Funktion eines Teamleiters in der Vorfertigung zu einem jahresdurchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 5.580,99 €. Die Beklagte produziert Technik für Möbel.
Am 22.05.2019 lud der Personalleiter L (im Folgenden: Personalleiter) den Kläger zu einem Gespräch ein, an dem ferner der technische Leiter S (im Folgenden: technische Leiter) der Beklagten teilnahm. Hintergrund des in den Einzelheiten streitigen Gesprächs, das sich über einen Zeitraum von 11.30 Uhr bis 12.20 Uhr erstreckte, war ein elektronisches Dokument mit Beschwerdepunkten des Mitarbeiters M über dessen Vorgesetzten U, der ebenso wie der Kläger als Teamleiter bei der Beklagten tätig war. Dieses Dokument befand sich mit anderen privaten Dokumenten in einem für den Kläger eingerichteten Ordner "B" auf einem firmeninternen Server der Beklagten im dortigen Unterordner "B/Privat". Auf den Server und die dort eingerichteten Ordner hatten neben dem Kläger weitere Mitarbeiter der Beklagten Zugriff, so zumindest zwei weitere Teamleiter und die dem Kläger hierarchisch übergeordneten Mitarbeiter.
Der Mitarbeiter M ist mit dem Kläger befreundet. Dessen inzwischen beendetes Arbeitsverhältnis mit der Beklagten kam auf Vermittlung des Klägers zustande. Der Mitarbeiter M, der über eine Lese-Rechtschreibschwäche verfügt, übermittelte das letztlich vom Kläger gespeicherte Dokument elektronisch an den Kläger, der es sprachlich überarbeitete und es sodann in ausgedruckter Form dem Mitarbeiter M aushändigte. Der Mitarbeiter M nutzte dieses Dokument zur Vorbereitung und Durchführung eines Beschwerdegesprächs über dessen vorgesetzten Mitarbeiter U mit dem Betriebsrat. Wegen des Inhalts des Dokuments wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Fassung (Bl. 17 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger wurde im Gespräch am 22.05.2019 zunächst mit der Frage konfrontiert, wieso er auf seinem dienstlichen Laufwerk ein Dokument vorhalte, das sich mit einem Mitarbeiter befasse, der nicht ihm unterstellt sei, zumal dieses Dokument Mobbingvorwürfe gegenüber einer anderen Führungskraft enthalte. Der Kläger stellte den aus seiner Sicht gegebenen Sachverhalt dar und wies die erhobenen Mobbingvorwürfe zurück. Das Verhalten des Klägers gegenüber dem Teamleiter U wurde im Gespräch als unkollegial klassifiziert. Der Personalleiter der Beklagten teilte dem Kläger mit, er sei als Führungskraft nicht mehr haltbar. Das Arbeitsverhältnis müsse aufgelöst werden. Dazu stünden zwei Wege zur Verfügung. So könne eine ordentliche Kündigung ausgesprochen werden, die der Kläger vor dem Arbeitsgericht angreifen könne. Denkbar sei aber auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum 31.12.2020 mit einer Freistellung des Klägers unter Vergütungsfortzahlung. Der Kläger willigte in den Abschluss eines Aufhebungsvertrages ein, den der Personalleiter sodann während einer Gesprächsunterbrechung anfertigte. Wegen des Inhalts dieser schriftlichen Vereinbarung vom 22.05.2020 wird auf Bl. 13 f der Gerichtsakte Bezug genommen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.05.2019 ließ der Kläger die Anfechtung der getroffenen Vereinbarung erklären.
Der Kläger hat behauptet, der Personalleiter der Beklagten habe erklärt, er - der Kläger - könne den Raum nicht eher verlassen, bis er etwas unterschrieben habe. Er habe den Aufhebungsvertrag nur deshalb unterschrieben, weil er in diesem Moment alleine an seine Tochter gedacht habe und der Aufhebungsvertrag zumindest das Beendigungsdatum des 31.12.2019 vorgesehen habe. Eine mögliche Klage vor dem Arbeitsgericht habe der Personalleiter als aussichtslos dargestellt. Die Kündigung werde er ferner auch beim Betriebsrat durchsetzen können.
Der Klä...