Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerechtfertigte Ungleichbehandlung bei Kündigung einer Hebamme durch Deutschen Caritasverband nach vorherigem Kirchenaustritt. Unmittelbare Mitwirkung einer Hebamme am karitativen Zweck. Selbstverständnis der katholischen Kirche. Verbot des Kirchenaustritts als rechtmäßige berufliche Anordnung

 

Leitsatz (amtlich)

Ist ein Arbeitnehmer aus der katholischen Kirche ausgetreten und erfährt der kirchliche Arbeitgeber dies während der Wartezeit nach § 1 KSchG, so verstößt eine daraufhin ausgesprochene Kündigung nicht gegen §§ 1, 7 AGG.

 

Normenkette

KSchG § 1; AGG §§ 1, 7; GG Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 09.01.2020; Aktenzeichen 4 Ca 3024/19)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 09.01.2020 - 4 Ca 3024/19 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer während der Wartezeit ausgesprochenen Kündigung sowie über einen Anspruch der Klägerin auf Weiterbeschäftigung.

Die Klägerin wurde am 13.12.1972 geboren. Sie ist geschieden und hat drei Kinder, von denen zwei studieren und finanziell von der Klägerin unterstützt werden. Die Beklagte betreibt unter anderem ein Krankenhaus in E. Sie ist dem Deutschen Caritasverband angeschlossen. Die Klägerin arbeitete zunächst von 1994 bis Mitte 2014 für die Beklagte als angestellte Hebamme. Danach war sie als Hebamme selbständig tätig. Im September 2014 trat die Klägerin aus der katholischen Kirche aus.

Nachdem die Parteien ein Gespräch über die erneute Einstellung der Klägerin geführt hatten, in dem die Zugehörigkeit der Klägerin zur katholischen Kirche nicht thematisiert wurde, übersandte die Beklagte mit Schreiben vom 15.03.2019 einen schriftlichen Dienstvertrag sowie einen Personalfragebogen an die Klägerin, der auch Angaben zur Frage des Kirchenaustritts vorsieht. Die Klägerin füllte den Personalfragebogen aus und gab an, sie sei im September 2014 aus der katholischen Kirche ausgetreten. Den Personalfragebogen überreichte die Klägerin zusammen mit dem von ihr gegengezeichneten Dienstvertrag am 01.04.2019 an der Personalabteilung der Beklagten. Die Klägerin trat ihren Dienst am 04.04.2019 an.

Im Dienstvertrag vereinbarten die Parteien unter anderem Folgendes:

§ 1

Die Mitarbeiterin wird ab 01.04.2019 als Hebamme eingestellt. ...

§ 2

Für das Dienstverhältnis gelten die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Der Mitarbeiterin ist Gelegenheit zur Einsichtnahme in die AVR gegeben.

§ 9

Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse ist Bestandteil des Dienstverhältnisses.

Die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse in der Fassung des Beschlusses der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 27.04.2015 lautet auszugsweise:

Artikel 1 Grundprinzipien des kirchlichen Dienstes

Alle in einer Einrichtung der katholischen Kirche Tätigen tragen durch ihre Arbeit ohne Rücksicht auf die arbeitsrechtliche Stellung gemeinsam dazu bei, dass die Einrichtung ihren Teil am Sendungsauftrag der Kirche erfüllen kann (Dienstgemeinschaft). 2Alle Beteiligten, Dienstgeber sowie leitende und ausführende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen anerkennen und ihrem Handeln zugrunde legen, dass Zielsetzung und Tätigkeit, Organisationsstruktur und Leitung der Einrichtung, für die sie tätig sind, sich an der Glaubens- und Sittenlehre und an der Rechtsordnung der katholischen Kirche auszurichten haben.

Artikel 3 Begründung des Arbeitsverhältnisses

(1) Der kirchliche Dienstgeber muss bei der Einstellung darauf achten, dass eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Eigenart des kirchlichen Dienstes bejahen. Er muss auch prüfen, ob die Bewerberin und der Bewerber geeignet und befähigt sind, die vorgesehene Aufgabe so zu erfüllen, dass sie der Stellung der Einrichtung in der Kirche und der übertragenen Funktion gerecht werden. (...)

(4) Für keinen Dienst in der Kirche geeignet ist, wer sich kirchenfeindlich betätigt oder aus der katholischen Kirche ausgetreten ist.

(5) Der kirchliche Dienstgeber hat vor Abschluss des Arbeitsvertrages über die geltenden Loyalitätsobliegenheiten (Art. 4) aufzuklären und sich zu vergewissern, dass die Bewerberinnen oder Bewerber diese Loyalitätsobliegenheiten erfüllen.

Artikel 4 Loyalitätsobliegenheiten

(1) Von den katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die

Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre anerkennen und beachten. (...)

(2) Von nicht katholischen christlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird erwartet, dass sie die Wahrheiten und Werte des Evangeliums achten und dazu beitragen, sie in der Einrichtung zur Geltung zu bringen.

(3) Nichtchristliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen bere...

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