Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung. Führung privater Telefonate. Mitbestimmung des Betriebsrats bei Telefondatenerfassung. Zustimmung des Betriebsrats zur Sonderauswertung. Beweisverwertungsverbot. Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Unerlaubte private Telefongespräche, die über die betriebliche Fernsprechanlage auf Kosten des Arbeitgebers geführt werden, können den Arbeitgeber grundsätzlich zur fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigen. Führt der Arbeitnehmer entsprechend einer betrieblichen Regelung private Telefongespräche von seinem Dienstapparat, deklariert er diese aber fälschlicherweise als vom Arbeitgeber zu zahlende Dienstgespräche, so liegt darin eine Vertragspflichtverletzung, die den Vertrauensbereich, die Loyalität und Ehrlichkeit des Arbeitnehmers berührt.
2. Mitbestimmungswidrig vom Arbeitgeber erlangte Informationen können einem Verwertungsverbot unterliegen.
3. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers ist nur im Fall einer ordentlichen Kündigung und der Feststellung der Sozialwidrigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 1 KSchG möglich.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; KSchG § 9 Abs. 1, § 13 Abs. 1 S. 3, § 15 Abs. 3; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Urteil vom 28.12.2006; Aktenzeichen 1 Ca 631/06) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 2 AZN 304/08) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 28.12.2006 – 1 Ca 631/06 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen.
Die am 01.11.1966 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.1997 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17.07.1997 (Bl. 10 d.A.) nebst Ergänzungen als Arztsekretärin bei der Beklagten, einer Klinik mit mehr als fünf Arbeitnehmern ausschließlich der Auszubildenden, tätig. Zuletzt war die Klägerin als Chefarztsekretärin zu einem monatlichen Bruttoverdienst von 2.550,00 EUR eingesetzt.
In einer Betriebsvereinbarung über die Einführung, Anwendung und Weiterentwicklung von EDV-Systemen vom 31.08.1994 (Bl. 273 ff.d.A.) war u.a. folgendes festgelegt:
§ 5
LEISTUNGS- UND VERHALTENSKONTROLLE
„1. Personenbezogene Daten werden vom Arbeitgeber nur
- • zur Durchführung der Lohn- und Gehaltsabrechnung,
- • zur Erfüllung der gesetzlichen, tarifvertraglichen
sowie durch Verordnungen und Betriebsvereinbarungen
vorgeschriebenen Aufgaben ausgewertet.
2. Die unter § 1 und § 2 beschriebenen Systeme und Systemteile werden nicht zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Mitarbeiter/-innen eingesetzt.
Sonderauswertungen dürfen nur nach vorheriger Zustimmung des Betriebsrates durchgeführt werden. Die Zustimmung ist in Schriftform zu beantragen. Sie gilt als erteilt, wenn der Betriebsrat nicht innerhalb von fünf Werktagen schriftlich widerspricht.
3. Eine Übermittlung von personenbezogenen Daten an Dritte ist nur zur Erledigung der Aufgaben nach Absatz 1 zulässig.”
Nach Einführung einer neuen Telefonanlage im Jahre 2000 mussten im Betrieb der Beklagten private Telefonate nicht mehr in der Telefonzentrale angemeldet werden, sondern konnten über einen PIN-Code abgerechnet werden. Hierzu schloss die Beklagte mit dem Betriebsrat am 27.11.2000 folgende Betriebsvereinbarung über die Begleichung privater Telefonabrechnungen (Bl. 119 f.d.A.) ab:
„§ 1:
Die Klinikleitung und der Betriebsrat der Fachklinik Hochsauerland stimmen darin überein, dass das neue Begleichungsverfahren der Vereinfachung der Abrechnung von privaten Telefonaten dienen.
§ 2:
Die Abrechnung erfolgt monatlich. Jeder Mitarbeiter hat die Möglichkeit eine Woche nach Monatsende seine Rechnung an der Rezeption bar zu bezahlen. Danach erfolgt die Abrechnung über die Lohnabrechnung des folgenden Monats.
§ 3:
Die 1994 geschlossene Betriebsvereinbarung über die Einführung, Anwendung und Weiterentwicklung von EDV-Systemen wird in § 5 insofern ergänzt, dass eine Erfassung der Abrechnungsdaten möglich ist, allerdings nur in einem Umfang, die der Abrechnung dienen. Ansonsten gilt der § 5 (der Betriebsvereinbarung): Eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Mitarbeitern anhand der Daten der Telefonate wird ausdrücklich ausgeschlossen.
§ 4:
Klärung bei Auslegungsstreitigkeiten. Die unterzeichnenden Personen verpflichten sich bei Streitigkeiten die Auslegung dieser Vereinbarung betreffend, unverzüglich Verhandlungen mit dem Ziel einer einvernehmlichen Einigung aufzunehmen.
§ 5:
Laufzeit der Betriebsvereinbarung. Diese Betriebsvereinbarung tritt am Tage ihrer Unterzeichnung in Kraft. Sie kann erstmals mit einer Frist von 3 Monaten zum 31.12.2001 gekündigt werden. Danach beträgt die Kündigungszeit 3 Monate zum Jahresende. Im Falle einer Kündigung wirkt diese Betriebsvereinbarung so lang nach, bis sie durch eine neue Vereinbarung ersetzt wird.”
Gleichzeitig teilte die Beklagte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Schreiben vom 27.11.2000 (Bl. 121 d.A.) folgendes mit:
„Wir stellen zum 1. Dezember 2000 unsere private Telefo...