Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Sonderzahlung. Arbeitsentgelt. Gratifikation. Zwölftelung. Wegfall der Leistung bei fristloser Entlassung. Verfall. Geltendmachung. irrige Geltendmachung gegenüber Betriebsveräußerer. Auslegung. falsa demonstratio
Leitsatz (amtlich)
1. Entfällt nach der tariflichen Regelung der Anspruch auf anteilige Sonderzahlung im Austrittsjahr im Fall der fristlosen Entlassung, so folgt aus dem hiermit verbundenen Anreiz, den Arbeitnehmer zur Vermeidung vertragswidriger Verhaltensweisen zu veranlassen, dass es sich bei der tariflichen Leistung nicht um Arbeitsentgelt im Sinne der laufend verdienten Vergütung, sondern um eine Leistung mit Mischcharakter handelt. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer die Leistung auch im Krankheitsfall zu beanspruchen hat.
2. Ein irrtümlich an den Betriebsveräußerer gerichtetes Geltendmachungsschreiben wahrt die tarifliche Ausschlussfrist, wenn es noch vor Fristablauf an den Betriebserwerber weitergeleitet wird und dieser aus den Umständen erkennen kann, dass er (und nicht der frühere Betriebsinhaber) als Schuldner gemeint ist (§ 133 BGB).
Normenkette
BGB § 611; RTV Glaserhandwerk NRW 1992 § 10
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 06.07.2010; Aktenzeichen 1 Ca 580/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 06.07.2010 – 1 Ca 580/10 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.064,– EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 30.11.2009.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage macht der Kläger, welcher auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 29 ff. d. A.) zunächst bei der Firma C2 G3 GmbH & Co. KG und sodann infolge eines unstreitigen Betriebsübergangs seit dem Jahre 1999 bei der Beklagten beschäftigt ist, einen Anspruch auf Zahlung der tariflichen Sondervergütung gemäß § 10 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer im Glaserhandwerk NRW vom 10.03.1992 für das Jahr 2009 geltend.
Hiergegen hat sich die Beklagte im ersten Rechtszug mit dem Einwand tariflichen Verfalls verteidigt. Unstreitig hatte der Kläger zunächst mit Schreiben vom 05.01.2010 (Bl. 4 d. A.) seine Forderung gegenüber der Firma C2 geltend gemacht und im Verfahren Arbeitsgericht Hamm 5 Ca 317/10 eingeklagt. Nachdem die Firma C2 in jenem Verfahren auf ihre fehlende Arbeitgeberstellung hingewiesen hatte, hat der Kläger gegen die Beklagte als gegenwärtigen Arbeitgeber – bei Gericht eingegangen am 26.03.2010 – Klage erhoben.
Durch Urteil vom 06.07.2010 (Bl. 36 ff d. A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Fassung der Klageanträge Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, der vom Kläger verfolgte Anspruch auf tarifliche Jahressondervergütung sei verfallen. Das an die Firma C2 gerichtete Geltendmachungsschreiben vom 05.01.2010 genüge nicht zur Geltendmachung der Forderung gegenüber der Beklagten. Zwar müsse im Falle eines Betriebsübergangs der Betriebsübernehmer eine gegenüber dem Betriebsveräußerer rechtzeitig erfolgte Geltendmachung der Forderung gegen sich gelten lassen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Betriebsübergang bereits im Jahre 1999 stattgefunden habe, seien diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall jedoch nicht zu übertragen. Die klageweise Geltendmachung gegenüber der Beklagten selbst wahre nicht die zweimonatige Ausschlussfrist.
Mit seiner rechtszeitig eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren unverändert weiter und führt aus, die Beklagte müsse sich aus den nachfolgenden Gründen die vorangehende Geltendmachung gegenüber der Firma C2 zurechnen lassen. Zum einen habe im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang im Jahre 1999 keine ausreichende Unterrichtung stattgefunden, weswegen für den Kläger der Arbeitgeberwechsel nicht zweifelsfrei erkennbar gewesen sei. Allein die ihm zugegangene Ummeldung zur Sozialversicherung und die Angaben in der monatlichen Lohnabrechnung seien hierfür nicht ausreichend. Zum anderen folge schon aus dem Umstand, dass die Beklagte unstreitig das an die Firma C2 adressierte Geltendmachungsschreiben tatsächlich erhalten habe, dass die Beklagte über die wahren Zusammenhänge nicht im Unklaren habe sein können. Dies werde auch durch die weitere unstreitige Tatsache belegt, dass die Beklagte im Jahre 2008 auf das ebenfalls an die Firma C2 gerichtete Geltendmachungsschreiben reagiert und hierauf die geforderte Sonderzahlung erbracht habe. Zum Beleg für seine Aktivlegitimation legt der Kläger, über dessen Vermögen ein Privatinsolvenzverfahren anhängig ist, eine entsprechende Ermächtigung mit Datum vom 23.08.2010 (Bl. 73 d. A.) vor.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamm vom 06.07.2010, Az. 1 Ca 580/10, die Beklag...