Entscheidungsstichwort (Thema)
Untersagung Betriebsratswahl Betriebsteil Nichtigkeit
Leitsatz (amtlich)
Eine voraussichtlich nichtige Wahl eines Betriebsrats kann im Wege der einstweiligen Verfügung abgebrochen werden. Nichtig ist die Wahl eines Betriebsrats, wenn ein Teil der Wahlberechtigten bereits einen eigenen Betriebsrat gebildet hat. Auch wenn diese erste Wahl wegen möglicherweise gegebener Verkennung des Betriebsbegriffs anfechtbar ist, so ist eine Doppelzuständigkeit von 2 Betriebsräten für dieselben Mitarbeiter nicht zulässig.
Normenkette
BetrVG §§ 19, 18, 4; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 27.04.2006; Aktenzeichen 22 BVGa 18/06) |
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 27.04.2006 – 22 BVGa 18/06 – abgeändert:
Dem Antragsgegner wird aufgegeben, die Betriebsratswahl, die aufgrund des Wahlausschreibens vom 13. März 2006 eingeleitet wurde und auf den 9. Mai 2006 terminiert wurde, abzubrechen. Soweit eine Neuwahl vor Rechtskraft des Verfahrens 8 BV 247/05 Arbeitsgericht Köln durchgeführt wird, sind die 47 Mitarbeiter mit der Funktion „Bezirksverkaufsleiter (BVL)” bzw. „BVL-Koordinator” nicht auf der Wählerliste zu führen.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten um den Abbruch einer Betriebsratswahl im gemeinsamen Betrieb der Hauptverwaltung der Beteiligten zu 5) und 6).
Die Beteiligte zu 5) unterhält mehrere Werke, die als eigenständige Betriebe organisiert sind und in denen sie Knabbergebäck und Chips herstellen lässt. In den einzelnen Produktionsstätten sind jeweils Betriebsräte gewählt worden. In der Hauptverwaltung „Werke” in K war bislang kein Betriebsrat gewählt. Die Beteiligte zu 6) vertreibt die Produkte der Beteiligten zu 5). Sie hat hierzu einzelne Zentrallager eingerichtet, von denen aus der Vertrieb durch den Außendienst im Wege der sogenannten „Frischdienstorganisation” vorgenommen wird. Diese Frischdienstreisenden besuchen auf vorgegebenen Kundentouren den Einzelhandel, Tankstellen und Kioske. In den Auslieferungslagern wurden ebenfalls Betriebsräte gebildet. Die Hauptverwaltung „Vertrieb” befindet sich ebenfalls in Köln.
Daneben bestehen Arbeitsverträge mit 47 Bezirksverkaufsleitern „BVL”) bzw. Bezirksverkaufsleiterkoordinatoren. Diese Mitarbeiter werden von vier Vorgesetzten geführt. Sie arbeiten über ganz D verteilt und sind für das sogenannte „Großflächengeschäft” zuständig. Dabei handelt es sich um große Handelsketten im Lebensmittelbereich wie z. B. R, r, t oder H. Diese Großflächenkunden werden von Spediteuren aus eigenen Lagern beliefert. Auch der Regalservice für diese Kunden wird im Regelfall durch die Spediteure durchgeführt und gehört anders als bei den sogenannten Frischdienstreisenden nicht zum Aufgabengebiet der Bezirksverkaufsleiter. Bei den sogenannten Bezirksverkaufsleiterkoordinatoren handelt es sich um Springer im BVL-Bereich zur Vertretung im Krankheits- und Urlaubsfall. Die Bezirksverkaufsleiter sind in keinen betrieblichen Ablauf eingegliedert. Auch ihre Vorgesetzten arbeiten nicht überwiegend in der Hauptverwaltung.
Die Bezirksverkaufsleiter haben im Jahre 2002 einen Betriebsrat gewählt. Die Wahl wurde nicht angefochten. Im Jahr 2003 haben die Mitarbeiter der Hauptverwaltung der Beteiligten zu 6) (Hauptverwaltung „Vertrieb”) ebenfalls einen Betriebsrat gewählt. Bei dieser Betriebsratswahl haben die Bezirksverkaufsleiter nicht mitgewählt. Der Betriebsrat „BVL” ist Ende 2005 zurückgetreten. Am 16.12.2005 wurde ein neuer Betriebsrat für Bezirksverkaufsleiter und Bezirksverkaufsleiterkoordinatoren gewählt, der Beteiligte zu 1). Diese Betriebsratswahl ist angefochten worden. Hierüber wird vor dem Arbeitsgericht Köln das Verfahren – 8 BV 247/05 – geführt.
Unstreitig bilden die Hauptverwaltung der Beteiligten zu 5) (Hauptverwaltung „Werke”) und die Hauptverwaltung der Beteiligten zu 6) (Hauptverwaltung „Vertrieb”) in einer gemeinsamen Betriebsstätte einen gemeinsamen Betrieb. Deshalb wurde mit Wahlausschreiben vom 13.03.2006 eine Betriebsratswahl eingeleitet, die neben 106 in der gemeinsamen Hauptverwaltung beschäftigten Frauen und 89 in der Hauptverwaltung beschäftigten Männern, die 47 Bezirksverkaufsleiter mit beinhaltete. 37 der Bezirksverkaufsleiter haben Beschwerde gegen die Aufnahme in die Wählerliste erhoben. Diese wurde vom Wahlvorstand, der im vorliegenden Verfahren der Antragsgegner ist, zurückgewiesen. Der Wahlvorstand vertritt die Ansicht, die 47 BVL seien trotz der Tatsache, dass sie bereits einen eigenen Betriebsrat gebildet haben, zur Wahl des Betriebsrates der Hauptverwaltung wahlberechtigt, da der Betriebsbegriff bei der Wahl des BVL-Betriebsrates offensichtlich verkannt worden sei. Die Gruppierung erfülle nicht die Voraussetzungen, die für die Wahl eines Betriebsrats nach § 4 BetrVG erforderlich sind. Insbesondere fehle es an einer eigenständigen Organisation.
Aufgrund der Zurechnung der Bezirksverkaufsleiter zur gemeinsamen Hauptverwaltung würde der...