Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässige Differenzierung bei Einstellung zwischen mitbestimmten und nicht mitbestimmten Auswahlrichtlinien. Kein Recht des Betriebsrats zur Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG bei Einstellung nach nicht mitbestimmten Auswahlrichtlinien. Umfang des Zustimmungsverweigerungsrechts des Betriebsrats

 

Leitsatz (amtlich)

Die Verwendung einer nicht mitbestimmten Auswahlrichtlinie begründet bei einer Einstellung - anders als der Verstoß gegen eine mitbestimmte Richtlinie - kein Zustimmungsverweigerungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG.

 

Normenkette

BetrVG § 75 Abs. 1, § 99 Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 24.03.2021; Aktenzeichen 18 BV 132/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 24.03.2021 - 18 BV 132/20 - wird zurückgewiesen.

  • II.

    Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Herrn A H .

Der Arbeitgeber betreibt im Auftrag des Rheinisch-Bergischen Kreises die Rettungswachen in K , L , O und Od . Nach Ausscheiden des vormaligen Stelleninhabers war die Stelle des Leiters der Rettungswache L neu zu besetzen. Unter den fünf internen und externen Bewerbern wählte er aufgrund der von ihm ohne Beteiligung des Betriebsrats erstellten "Bewertungsmatrix" mit Punktetabelle den externen Bewerber H für die Position aus.

Die Bewertungsmatrix, wegen deren genauen Inhalts auf Blatt 11 der Akte Bezug genommen wird, bestimmte als "obligatorische" Grundvoraussetzungen die Ausbildung zum Rettungsassistenten/Notfallsanitäter sowie eine Fahrerlaubnis der Führerscheinklasse C 1. Hinzu kamen die Bewertungskriterien

- MS-Office

- Qualitätsmanagement

- Sozialkompetenz

- Kommunikation

- Berufserfahrung

- Leitungserfahrung

- Personalmanagement

- Change Management

- Rechtsgrundlagen

- Medizingeräte

- Hygiene

für die jeweils ein einfacher Punktwert und ein Gewichtungsfaktor festgelegt waren, so dass insgesamt ein maximaler Punktwert von 168 erreicht werden konnte.

Herr H erzielte in der Tabelle mit 109 Punkten das beste Ergebnis. Der stellvertretende Leiter der Wache, Herr P , der Vorsitzender des bei dem Arbeitgeber gebildeten neunköpfigen Betriebsrats ist, erzielte mit 103 Punkten das drittbeste Ergebnis.

Mit Schreiben vom 16.07.2020 beantragte der Arbeitgeber die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Herrn H auf der Position eines "Notfallsanitäters im Rettungsdienst / Leiter der Rettungswache". Per E-Mail übermittelte er dem Betriebsrat auch die Unterlagen aller Bewerber.

Am 22.07.2020 verweigerte der Betriebsrat schriftlich die Zustimmung zur Einstellung unter Berufung auf § 99 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 BetrVG. Zur Begründung führte er aus, dass der Arbeitgeber erstmalig eine Bewertungsmatrix als Grundlage für die Einstellung verwendet habe. Diese unterliege als Auswahlrichtlinie der Mitbestimmung nach § 95 BetrVG. Sie enthalte mehrere Punkte, denen er in dieser Form nicht zugestimmt haben würde. So sei etwa die Dauer einer eventuell bestehenden Betriebszugehörigkeit nicht berücksichtigt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine langjährige Tätigkeit als stellvertretender Wachleiter keinerlei Berücksichtigung bei der Auswahl erfahre. Andere Kriterien und deren Gewichtung seien nicht nachvollziehbar. Man sehe eine Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds in seiner beruflichen Entwicklung. In anderen Bereichen des Betriebs sei es üblich, bei Ausscheiden einer Leitungskraft die Stellvertretung in das Amt zu heben.

Mit seiner am 27.08.2020 bei dem Arbeitsgericht Köln eingereichten Antragsschrift begehrt der Arbeitgeber die Feststellung, dass die Zustimmung zu der Einstellung als erteilt gilt, hilfsweise deren Ersetzung. Der Arbeitgeber hat die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats über das Zustimmungsersuchen mit Nichtwissen bestritten und Zustimmungsverweigerungsgründe des Betriebsrats für nicht gegeben gehalten. Sein Punkteschema verkörpere - so seine Ansicht - keine Auswahlrichtline, sondern stelle nur ein Anforderungsschema auf. Selbst wenn man in der verwandten Bewertungsmatrix eine Auswahlrichtlinie sehen wolle, begründe dies kein Zustimmungsverweigerungsrecht. Die fehlende Beteiligung an dem Punkteschema könne der Betriebsrat im Verfahren nach § 99 BetrVG nicht geltend machen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

festzustellen, dass die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung des Herrn A H als erteilt gilt;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1 die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung des Herrn A H zu erteilen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass die Einstellung von Herrn H gegen eine Auswahlrichtlinie im Sinne von § 95 BetrVG verstoße. Um eine solche handele es sich nämlich bei der vom Arbeitgeber aufgestellten Bewertungsmatrix. Dies begründe ein Zustimmungsverweigerungsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen, die auf ...

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