Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerspruch gegen Betriebsübergang. Kündigung durch Betriebserwerber
Leitsatz (amtlich)
1. Die Widerspruchsfrist des § 613 a Abs. 6 BGB wird nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Arbeitnehmers i. S. v. § 613 a Abs. 5 BGB ausgelöst (wie BAG, Urteil vom 13.07.2006 – 8 AZR 305/05, AP Nr. 312 zu § 613 a BGB; BAG, Urteil vom 14.12.2006 – 8 AZR 763/05, AP Nr. 318 zu § 613 a BGB; LAG Köln, Urteil vom 04.06.2007 – 14 Sa 1225/06).
2. Das Recht des Arbeitnehmers zur Ausübung des Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber kann zwar nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben wegen Verwirkung ausgeschlossen sein. Fehlt es an dem für die Verwirkung erforderlichen Umstandsmoment, ist aber – je nach den Umständen des Einzelfalls – ein Widerspruch auch fast ein Jahr nach dem Vollzug des Betriebsübergangs noch möglich (im Anschluss an BAG, Urteil vom 13.07.2006 – 8 AZR 382/05, AP Nr. 1 zu § 613 a BGB Widerspruch; LAG Köln, Urteil vom 04.06.2007 – 14 Sa 1225/06).
3. Kündigt der Betriebserwerber nach einem erfolgten Betriebsübergang und vor der wirksamen Ausübung eines – rückwirkenden – Widerspruchs des Arbeitnehmers gegen den Betriebsübergang, wirkt diese Kündigung unmittelbar für und gegen den Betriebsveräußerer, sofern dieser die Kündigung zumindest konkludent genehmigt (Weiterentwicklung von BAG, Urteil vom 24.08.2006 – 8 AZR 574/05, NZA 2007, 328). Wird die Kündigung vom Arbeitnehmer nicht gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach deren Zugang im Wege der Kündigungsschutzklage gerichtlich angegriffen, gilt sie gemäß § 7 KSchG als von Anfang an rechtswirksam.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5-6; KSchG §§ 4, 7
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 14.12.2006; Aktenzeichen 8 Ca 3461/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.12.2006 – 8 Ca 3461/06 – abgeändert.
- Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien bis zum 31.03.2006 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.063,34 EUR brutto (Monat März 2006) abzüglich bezogenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.452,90 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.610,44 EUR seit dem 01.04.2006 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz haben der Kläger zu
80 % und die Beklagte zu 20 % zu tragen. Die Kosten der Berufung haben der Kläger zu 77 % und die Beklagte zu 23 % zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die Kosten, die durch die Anrufung des örtlich unzuständigen Arbeitsgerichts Hanau entstanden sind. Diese Kosten hat allein der Kläger zu tragen.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses sowie um Zahlungsansprüche.
Der am 12.11.1955 geborene Kläger war seit dem 01.08.1985 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt. Zuletzt war er als Reisender an wechselnden Einsatzorten im Bundesgebiet tätig und dem Geschäftsbereich C zugeordnet. Dieser Geschäftsbereich wurde mit Wirkung vom 01.11.2004 auf die Firma A ausgegliedert. Hierüber informierte die Beklagte den Kläger zuvor mit Schreiben vom 22.10.2004, das auszugsweise lautet:
„Die A mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige C der Firma A, also die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. Die A übernimmt das Vermögen von C. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
…
Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.”
In einem Schreiben an die Beklagte vom 10.11.2005 wies der Kläger u.a. darauf hin, dass die Informationen im Schreiben vom 22.10.2004 nicht zutreffend gewesen seien und damit nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hätten, so dass der Lauf des Widerspruchsrechts nicht ausgelöst worden sei. Weiterhin forderte der Kläger die Beklagte in dem Schreiben auf, ihm innerhalb von zwei Wochen vollständige und wahrheitsgemäße Informationen über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für ihn zu erteilen. Nach dem Eingang dieser Informationen werde er einer Entscheidung darüber treffen, ob er dem Betriebsübergang widersprechen werde.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 22.12.2005 – 71 IN 590/05 – wurde über das Vermögen der Firma A das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schreiben vom 28.12.2005 kündigte der Insolvenzverwalter dem Kläger zum 31.03.2006. Diese Kündigung wurde vom Kläger gerichtlich nicht angegriffen.
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.02.2006 an die Beklagte erklärte der Kläger den Widerspruch gegenüber dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Firma A.
Mit seiner am 22.03.2006 beim Arbeitsgericht Hanau eingegangen...