Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang-Unterrichtung gemäß § 613 a Abs. 5 BGB. fristgerechter Widerspruch gemäß § 613 a Abs. 6 BGB. Verwirkung. Annahmeverzug
Leitsatz (amtlich)
1.) Nur eine ordnungsgemäße Unterrichtung setzt die Widerspruchsfrist nach § 613 a Abs. 6 BGB in Gang.
2.) Eine Unterrichtung über einen geplangten Betriebsübergang ist nicht ordnungsgemäß, wenn sie nicht hinreichend über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs für die Arbeitnehmer informiert (§ 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB).
3.) Auch über das Recht zum Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses ist als rechtliche Folge nach § 613 a Abs. 5 Nr. 3 BGB zu informieren.
4.) Die Verwirkung des Widerspruchsrechts setzt voraus, dass der Verpflichtete darauf vertrauen durfte, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr ausüben. Das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten muss dabei das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass dem Verpflichteten die Erfüllung des Ausspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
5.) Der Betriebsveräußerer kann für den Zeitraum ab Zugang des Widerspruchs in Annahmeverzug geraten.
6.) Teilweise parallel zu den Entscheidungen des LAG Düsseldorf vom 18.08.08 17 Sa 2112/07 und 17 Sa 2150/07.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5-6, §§ 615, 242
Verfahrensgang
ArbG Solingen (Urteil vom 04.09.2007; Aktenzeichen 5 Ca 292/07 lev) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Solingen vom 04.09.2007 – 5 Ca 292/07 lev – zu Ziffer 1. teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2219,51 EUR brutto (Arbeitsentgelt Januar 2006) abzüglich bezogenem Arbeitslosengeld in Höhe von 808,96,– EUR netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz haben der Kläger zu 44% und die Beklagte zu 56% zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 43% und die Beklagte 57% zu tragen.
Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Zahlungsansprüche, die sich aus einem nachträglichen Widerspruch gegen einen vollzogenen Betriebsübergang ergeben.
Der am 11.05.1953 geborene Kläger ist seit dem 01.08.1970 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 4.597,00 EUR zuzüglich einer Auslagenerstattung für die Kontoführung in Höhe von 2,30 EUR (gesamt: 4.589,30 EUR brutto) beschäftigt. Er war zuletzt dem Bereich
„Consumer Imaging” (CI) zugeordnet. Mit Schreiben vom 22.10.2004 informierte die Beklagte den Kläger und die weiteren betroffenen Kolleginnen und Kollegen über die geplante Übertragung des Geschäftsbereiches CI auf die neu gegründete B. Photo Germany GmbH. In einem zweiten Schritt sollte diese Gesellschaft in die parallel gegründete B. Photo GmbH eingebracht werden. (Bezüglich der Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 14 ff. d.A. verwiesen).
Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zunächst nicht.
Am 25.05.2005 stellte die B. Photo GmbH beim Amtsgericht Köln den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegen Zahlungsunfähigkeit. Unter dem
01.08.2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt S. zum Insolvenzverwalter bestellt. In der Folge widersprachen zahlreiche Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse auf die B. Photo GmbH übergegangen waren, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses von der B. H. AG auf die B. Photo GmbH und führten entsprechende Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht Solingen.
Die B. Photo Germany GmbH stellte im Oktober 2005 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin wies der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 14.11.2005 darauf hin, dass er die mit Schreiben vom 22.10.2004 mitgeteilten Informationen für unzutreffend halte und forderte die Beklagte auf, eine vollständige und wahrheitsgemäße Information über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs zu erteilen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Am 22.12.2005 wurde aufgrund des Antrags von Oktober 2005 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. Photo Germany GmbH eröffnet (Aktenzeichen: 71 IN 590/05 Amtsgericht Köln). Am 28.12.2005 wurde die Masseunzulänglichkeit angezeigt.
Mit Schreiben vom 28.12.2006 kündigte der Insolvenzverwalter der B. Photo Germany GmbH das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.03.2006. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage, die vor dem Arbeitsgericht Solingen verhandelt wird.
Mit Schreiben vom 16.01.2006 widersprach der Kläger dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die B. Photo Germany GmbH und bot seine Arbeitsleistung gegenüber der Beklagten ausdrücklich an (vgl. Bl. 21 d.A.).
Durch Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18.01.2007 – 5 (10) Sa 1067/06 – wurde unter Aufhebung der Entscheidung der er...