Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung. Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung. Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers für die betriebsbedingten Kündigungsgründe bei einer nahezu deckungsgleichen Organisationsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

n Fällen, in denen die Organisationsentscheidung des Arbeitgebers und sein Kündigungsentschluss praktisch deckungsgleich sind, kann die ansonsten berechtigte Vermutung, die fragliche Entscheidung sei aus sachlichen Gründen erfolgt, nicht unbesehen greifen (BAG, Urteil vom 20.02.2014 – 2 AZR 346/12 – Rn. 16). Kommt zu dieser Deckungsgleichheit hinzu, dass gleichzeitig mit der Entlassung der betroffenen Arbeitnehmerin an anderer Stelle desselben Unternehmensbereichs ein neuer Arbeitnehmer eingestellt wird („N.N.“), fehlt es nicht nur an der besagten Vermutung, sondern es ist vielmehr umgekehrt umso mehr am Arbeitgeber, Tatsachen darzulegen, aus denen sich ergibt, dass die Entscheidung keine auf Willkür fußende Austauschkündigung zum Gegenstand hat.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 1 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1, 5

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 13.06.2018; Aktenzeichen 7 Ca 508/18)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil desArbeitsgerichts Köln vom 13.06.2018 – 7 Ca 508/18 –teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteienbestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 16.01.2018 zum 31.03.2018 nichtaufgelöst worden ist;
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

  • III.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat zu ¼ die Klägerin zutragen und zu ¾ die Beklagte.

  • IV

    . Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Kündigung vom 16.01.2018 sowie um Weiterbeschäftigung der Klägerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Kündigung in einem Arbeitsverhältnis, das die Beklagte nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils mit Zustimmung des Betriebsrats erneut zum 31.10.2018 gekündigt hat.

Die Klägerin ist 58 Jahre alt. Sie ist wurde von der Beklagten, bei der regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig sind, am 01.01.2012 eingestellt. Im Zeitpunkt des Zugangs der hier streitigen Kündigung bestand das Arbeitsverhältnis mithin sechs Jahre. Nach dem Wortlaut der Arbeitsvertragsurkunde wurde die Klägerin als „Senior Accountant Anlagenbuchhaltung“ eingesetzt. Nach § 1 Abs. 3 der Arbeitsvertragsurkunde (Anlage K2, Bl. 10 d.A.) ist die Arbeitgeberin berechtigt, der Klägerin auch andere zumutbare Arbeiten zu übertragen. Zuletzt erhielt die Klägerin für ihre Tätigkeit ein Bruttoentgelt in Höhe von 7.159,43 EUR monatlich.

Organisatorisch ist der Bereich Accounting, dem die Klägerin zugeordnet war, dem „Controller EMEA & Global Production“ unterstellt (EMEA = Europe, Middle East, Africa). Das von der Beklagten gestaltete Organigramm sah im September 2017 auszugsweise noch wie folgt aus (Bl. 59 d.A.):

Welche konkreten organisatorischen Entscheidungen die Beklagte in der Folgezeit getroffen hat und ob bzw. wie diese Entscheidungen umgesetzt wurden, ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig. Jedenfalls stellte sich das von der Beklagten erstellte Organigramm im Februar 2018 wie folgt dar (Bl. 62 d.A.):

Es wurde also der Bereich „EMEA Accounting“ unter der Leitung des Mitarbeiters D B geändert, indem das bisherige Kästchen „Controller EMEA & Global Production“ umbenannt wurde in „EMEA Controlling“ und ein Kästchen für eine zusätzliche Organisationseinheit mit dem Namen „Global Asset Management“ hinzugefügt wurde. Dieser letztgenannten Organisationseinheit wurde eine Kollegin der Klägerin, die Zeugin A H , sowie der bisher in der Organisationseinheit „Controller EMEA & Global Production“ tätige W F zugeordnet. Im Übrigen wurden keine Änderungen vorgenommen, insbesondere wurden die beiden genannten Mitarbeiter in ihren bisherigen Organisationseinheiten nicht ersetzt, nämlich Frau H gar nicht und Herr F durch „N.N.“. Die einzige Änderung der Namenszuordnung im Organigramm ist die Tatsache, dass der Name der Klägerin unter den verbliebenen 10 Beschäftigten in ihrer bisherigen Organisationseinheit nicht mehr erscheint. Wird davon ausgegangen, dass unter „N.N.“ tatsächlich ein demnächst zu findender neuer Name zu verstehen ist, so zeigt das Organigramm im hier vorgenommenen Ausschnitt (ohne „Local Finance Teams“) im September 2017 insgesamt 18 Namen und im Februar 2018 erneut 18 Namen. Der Name der Klägerin fehlt.

Die für die Tätigkeiten der Klägerin und ihrer bisherigen Kollegin H bestimmte Arbeitsplatzbeschreibung, die jedenfalls seit September 2014 galt (das Datum steht auf der verschriftlichen Arbeitsplatzbeschreibung Anlage B2, Bl. 60 d.A.), lautet auszugsweise:

„[…]

5. Gesamtaufgaben

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