Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung aufgrund Interessenausgleich mit Namensliste bei fehlender Betriebsstilllegung
Leitsatz (amtlich)
Es kann dahinstehen, ob ein auf Vorrat für den Fall einer zukünftigen Betriebsschließung trotz laufender Verhandlungen mit Investoren abgeschlossener Interessenausgleich die Vermutungswirkungen des § 125 InsO, § 1 Abs. 5 KSchG hat. Jedenfalls setzt die Anwendbarkeit voraus, dass im Zeitpunkt der Kündigung keine Fortführungschance mehr besteht.
Normenkette
InsO § 125 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Entscheidung vom 25.06.2009; Aktenzeichen 7 Ca 4676/08) |
Tenor
Die Berufungen der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.06.2009 – 7 Ca 4646/08 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 1) zu 33 % und die Beklagte zu 2) zu 67 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Mit der Berufung machen die Beklagten geltend, das Arbeitsgericht habe die Vermutungswirkung des § 125 Abs. 1 InsO falsch gewertet. Diese erstrecke sich nach § 128 Abs. 2 InsO auch darauf, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht wegen eines Betriebsübergangs erfolge. Die Betriebsänderung sei bei Abschluss des Interessenausgleichs mit Namensliste geplant gewesen. Deshalb treffe den Kläger die Darlegungslast dafür, dass sein Arbeitsplatz noch vorhanden sei. Da sich aus dem Interessenausgleich ergebe, dass der Beklagte zu 1) stets die Hoffnung hatte, den Betrieb weiterveräußern zu können, rechtfertige die Namensliste auch die Kündigung des Klägers für den Fall der Weiterveräußerung. Da zudem im Betrieb K zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung lediglich sechs Arbeitnehmer von ursprünglich 47 Arbeitnehmern im Vertragsverhältnis zur Insolvenzschuldnerin standen, sei eine Betriebsstilllegung auch durchgeführt worden. Die Beklagte zu 2) hält die Kündigung des Klägers durch den Beklagten zu 1) ebenfalls für rechtswirksam, so dass ein Arbeitsverhältnis mit ihr nicht zustande gekommen sei. Aus diesem Grunde scheiterten der Weiterbeschäftigungsanspruch als auch die Zahlungsansprüche für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist. Ebenso hält die Beklagte zu 2) einen Betriebsübergang nicht für gegeben.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Arbeitsgerichts Aachen vom 25.06.2009 – 7 Ca 4676/08 – zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Er verweist auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO bzw. § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG. Die unstreitig gebliebene dauerhafte Öffnung der Filiale in K, der ununterbrochene Verkauf von den in der Filiale vorhandenen Waren, die unstreitige Aufrechterhaltung der bisherigen Lieferbeziehungen und die Beschäftigung zumindest eines Teils des Personals erfüllten insgesamt den Tatbestand des Betriebsübergangs. Hieraus folge die Begründetheit seines Beschäftigungsanspruchs gegenüber der Beklagten zu 2) sowie des Zahlungsantrags. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 313 ZPO auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässigen und fristgerechten Berufungen der beiden Beklagten sind nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Aachen festgestellt, dass die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 21.10.2008 das Arbeitsverhältnis zu diesem nicht beendet hat.
Sowohl der Interessenausgleich vom 26.09.2008 zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter, der Schuldnerin und dem Gesamtbetriebsrat als auch der Interessenausgleich vom 26.09.2008 zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter, der Schuldnerin und dem K Betriebsrat sowie die Interessenausgleiche vom 10.10.2008 beanspruchen Geltung nur für den Fall der tatsächlichen Betriebsstilllegung. Dabei kann dahinstehen, ob der Abschluss dieser Interessenausgleiche, der zu einem Zeitpunkt erfolgte, als Verhandlungen mit Investoren noch aktiv betrieben wurden, die damit auf Vorrat abgeschlossen wurden für den Fall, dass diese Verhandlungen endgültig scheitern würden, im Falle eines solchen Scheiterns und einer tatsächlich durchgeführten Stilllegung Kündigungen hätten rechtfertigen können. Tatsächlich ist es nämlich zu einer Stilllegung des Betriebes nicht gekommen, so dass der von dem Interessenausgleich geregelte Sachverhalt zu keiner Zeit eingetreten ist. Vielmehr waren die Verhandlungen mit einem der Investoren erfolgreich, so dass jedenfalls die Filiale in K, in der der Kläger beschäftigt wurde, zu keinem Zeitpunkt stillgelegt, d. h. geschlossen wurde. Vielmehr ist die betriebsorganisatorische Einheit unter Wahrung der Verknüpfung der Produktionsmittel, insbesondere der Mieträume, des Inventars und der Verkaufsgegenstände zu keinem Zeitpunkt aufgelöst worden. Der Geschäftsbetrieb ist vielmehr unter Wahrung der betriebsorganisatorischen Zusammenhänge aufrechterhalten geblieben. F...