Verfahrensgang
ArbG Bonn (Urteil vom 29.05.1998; Aktenzeichen 1 Ca 929/97) |
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 29.05.1998 bleibt aufrechterhalten.
Die Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Streitwert: unverändert.
Tatbestand
(abgekürzt gem. § 543 Abs. 1 ZPO)
Die Parteien streiten um restliche Entgeltansprüche des Klägers aus einem Arbeitsverhältnis, das von Juni bis 15. November 1996 bestanden hat. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis auf der Basis von 1.500,– DM brutto monatlich abgerechnet, was nach ihrer Behauptung den Vergütungsvereinbarungen der Parteien entsprach. Der Kläger behauptet, die Parteien hätten eine monatliche Vergütung von 2.200,– DM netto vereinbart, was die Beklagte dem Kläger unter dem 12.07.1996 bescheinigt hat und unstreitig einem monatlichen Bruttoverdienst von 6.312,40 DM entspricht. Die Differenz – nämlich 26.384,01 DM – bildet den Gegenstand der Klage. Außer der Bescheinigung vom 12.07.1996 existieren keine schriftlichen Aufzeichnungen über die Entgeltvereinbarung der Parteien.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter und weist darauf hin, daß er erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die erste Abrechnung mit Schreiben vom 24.01.1997 und während des Arbeitsverhältnisses nur zwei Abschlagszahlungen erhalten hat. Erst durch die Abrechnung sei für ihn erkennbar gewesen, daß die Beklagte eine Monatsvergütung von 1.500,– DM brutto zugrunde lege. Nach Vertragsabschluß habe er Zeugen über die Vereinbarung von 2.200,– DM netto berichtet. Sofern in der erstinstanzlichen Beweisaufnahme von einer Gehaltsforderung der Arbeitnehmer in Höhe von 4.000,– DM monatlich die Rede gewesen sei, handele es sich nicht um eine von ihm erhobene Forderung, sondern um die seiner Kollegen, die er seinerzeit lediglich unterstützt habe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.384,01 DM brutto nebst 4% Zinsen seit Rechtshängigkeit (10.04.1997) zu zahlen.
Nach diesem Antrag ist im Termin vom 29.05.1998, in dem die Beklagte zwar erschienen aber nicht verhandelt hat, Versäumnisurteil ergangen, gegen das sie rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Nunmehr beantragt der Kläger,
den Einspruch der Beklagten vom 08.06.1998 zurückzuweisen und das Versäumnisurteil zu bestätigen.
Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung unter Aufhebung des Versäumnisurteils und verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zweitinstanzlich zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Gem. §§ 542 Abs. 3, 343 S. 1 ZPO war das Versäumnisurteil vom 29.05.1998 aufrechtzuerhalten. Denn die aufgrund des Einspruchs zu treffende vorliegende Entscheidung stimmt mit ihm überein: Der Klage war unter Abänderung des angefochtenen Urteils (§ 536 ZPO) stattzugeben; sie ist begründet:
Der Kläger fordert die streitige Vergütungsdifferenz zu Recht, weil die Entscheidung davon ausgehen muß, daß die Parteien eine monatliche Vergütung von 2.200,– DM netto vereinbart haben und der dazugehörige Brutto-Betrag unstreitig ist. Das folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 444, 427 ZPO: Ihnen ist der Rechtsgedanke zu entnehmen, daß ein Beweis als geführt angesehen werden kann, wenn der Gegner des Beweisführers ein Beweismittel – und sei es auch nur fahrlässig – beseitigt (Zöller/Stephan, ZPO, 17. Aufl., § 286 Rn. 14):
Die Beklagte ist so zu behandeln, als habe sie eine Beweisurkunde, aus der sich die Vergütungsvereinbarung der Parteien ergab, zumindest fahrlässig beseitigt. Denn sie hat sie entgegen einer gesetzlichen Verpflichtung gar nicht erst erstellt. Nach dem Nachweisgesetz vom 20.07.1995 hat der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen, darunter auch die Höhe des Arbeitsentgelts, schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 6 NachwG). Dies hat die Beklagte unstreitig unterlassen. Das Unterlassen war fahrlässig, weil sie als Arbeitgeberin im Juni 1996 das bereits seit einem Jahr geltende Gesetz kennen mußte (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Damit ist unter dem Gesichtspunkt der Beweisvereitelung wenn schon nicht eine Beweislastumkehr, so doch jedenfalls eine erhebliche Erleichterung der Beweisführungslast verbunden (Preis in NZA 1997, 10 ff, 13 unter IV 4 g; Birk in NZA 1996, 289, 289 unter III 4 a.E.). Nach den danach zuzubilligenden Erleichterungen für die Beweisführung ist der Beweis als vom Kläger geführt anzusehen:
Das folgt allein schon aus der von ihm vorgelegten Bescheinigung vom 12.07.1996 (Bl. 5), in der die Beklagte bestätigt, daß dem Kläger „monatlich mind. ein Nettogehalt von DM 2.200,– gezahlt wird.”
Verstä...