Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine ernsthafte Stilllegungsabsicht im Zeitpunkt der Kündigung bei noch laufenden Verkaufsverhandlungen. Unterzeichneter Arbeitszeitnachweis als Erfüllung der Darlegungslast durch Arbeitnehmer. Anerkenntnis von Überstunden durch Guthabensaldo auf dem Arbeitszeitkonto. Unwirksamkeit von Ausschlussklauseln mit Frist von weniger als drei Monaten. Widerruf von Zusage für einen Tankgutschein
Leitsatz (amtlich)
1. An einem endgültigen Entschluss zur (Teil-)Betriebsstilllegung fehlt es, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in ernsthaften Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs oder von Teilen des Betriebs steht.
2. Wird die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (elektronisch) erfasst und zeichnet der Arbeitgeber oder für ihn ein Vorgesetzter des Arbeitnehmers die entsprechenden Arbeitszeitnachweise ab, kann der Arbeitnehmer im Überstundenprozess der ihm obliegenden Darlegungslast für die Leistung von Überstunden schon dadurch genügen, dass er schriftsätzlich die vom Arbeitgeber abgezeichneten Arbeitsstunden und den sich ergebenden Saldo vorträgt.
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 280 Abs. 1 S. 1, §§ 307, 308 Nr. 4, §§ 315, 368, 611a Abs. 2, § 612 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 17.11.2020; Aktenzeichen 13 Ca 335/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 17.11.2020 - 13 Ca 335/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung sowie über die Vergütung von Überstunden nebst Zuschlag, die Zahlung einer jährlichen Erholungsbeihilfe und Ersatzansprüche wegen nicht gewährter monatlicher Tankgutscheine.
Der im Dezember 1966 geborene Kläger trat am 01.09.1983 in die Dienste des VEB Kreisbetrieb für Landtechnik C-Stadt und arbeitete dort als Landmaschinenschlosser. Ab dem 01.01.1991 beschäftigte ihn die U. L. und I. GmbH unter Übernahme der seit 01.09.1983 bestehenden Unternehmenszugehörigkeit als Schlosser weiter. Im Jahr 2000 ging das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über, bei der der Kläger zuletzt als mitarbeitender Kfz-Meister in Vollzeit tätig war. Der letzte Änderungsvertrag datiert vom 11.01.2001 und enthält folgende Bestimmungen:
"...
§ 10 Geltendmachung von Ansprüchen
Gegenseitige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis (z. B. aus Mehrarbeit, rückständigem Lohn u. ä.) sind innerhalb von zwei Monaten geltend zu machen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind alle daraus herrührenden sonstigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach Beendigung geltend zu machen. Nach Ablauf der genannten Fristen ist der Anspruch verwirkt, sofern er dem Arbeitgeber gegenüber nicht vorher erfolglos geltend gemacht wurde.
§ 11 Nebenabreden
Es wird folgende Nebenabreden vereinbart: 20 Stunden Mehrarbeit können unentgeltlich bei Bedarf geleistet werden,
Organisation der Arbeit und Abrechnung der Leistungen im Bereich der PKW-Werkstatt sind selbständig durchzuführen
..."
Mit Schreiben vom 21.07.2008 erteilte die Beklagte dem Kläger folgende Zusage:
"...
Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass wir Ihnen ab dem Monat August 2008 eine Sachbezugsleistung im Wert von bis zu 44,00 € je Monat übergeben können. Diese erfolgt mit der Lohnzahlung am 10. des Monats in Form eines Gutscheines über Kraftstoff, der in der Gasolin-Tankstelle C-Stadt bis jeweils Ende des Monats einzulösen ist.
Der Gutschein ist nicht an Dritte und nicht auf den nächsten Monat übertragbar. Diese Sachbezugsleistung ist zunächst unbefristet, aber an unsere wirtschaftliche Leistung gebunden und somit keine Verpflichtung des Betriebes.
..."
Ab dem Jahr 2006 zahlte die Beklagte, zunächst zu unterschiedlichen Terminen und in unterschiedlicher Höhe, eine sogenannte Erholungsbeihilfe. Im Juli 2009, Juli 2010 und Juni 2011 erhielt der Kläger sodann eine Erholungsbeihilfe in Höhe von jeweils € 156,00 brutto. Anschließend stellte die Beklagte die Zahlung der Erholungsbeihilfe an den Kläger ein. Des Weiteren händigte die Beklagte dem Kläger ab dem Jahr 2016 keine Tankgutscheine mehr aus.
Die Parteien führten ein Zeitkonto über die geleisteten Arbeitszeiten und Überstunden. Ausweislich der von einer kaufmännischen Mitarbeiterin und dem Geschäftsführer K. unterzeichneten Arbeitszeitnachweise bestätigte die Beklagte nach Saldierung von Plus- und Minusstunden folgende Guthabenstände:
Monat/Jahr |
Guthaben-Stunden |
06/2018 |
916,50 Stunden |
07/2018 |
911,25 Stunden |
08/2018 |
909,00 Stunden |
09/2018 |
909,00 Stunden |
10/2018 |
910,50 Stunden |
11/2018 |
942,00 Stunden |
12/2018 |
956,75 Stunden |
01/2019 |
974,25 Stunden |
02/2019 |
990,00 Stunden |
Die Beklagte zahlte dem Kläger wie auch anderen Mitarbeitern regelmäßig einen Mehrarbeitszuschlag in Höhe von 25 % je geleisteter Überstunde.
Die Beklagte war auf verschiedenen Geschäftsfeldern tätig. Zuletzt unterhielt sie eine Metallbauabteilung, eine Elektroabteilung (Elektroinstallation, Handel...