Wann ist eine Ausbildungsvergütung angemessen?

Eine Ausbildungsvergütung muss angemessen sein. Das ist sie in der Regel nicht, wenn sie um mehr als 20 Prozent geringer ausfällt als in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungen. Das hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschieden und einem Kfz-Azubi eine höhere Ausbildungsvergütung zugesprochen.

Auszubildende haben einen Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Das gibt § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG vor. Doch wann ist eine Ausbildungsvergütung angemessen? Nach den gesetzlichen Vorgaben soll sie Azubis nur in einem gewissen Umfang "entlohnen". Insbesondere soll sie Azubis und deren unterhaltsverpflichteten Eltern bei der Lebenshaltung finanziell unterstützen und die Heranbildung eines ausreichenden Nachwuchses an qualifizierten Fachkräften gewährleisten.

Grundsätzlich haben Auszubildende Anspruch auf Tariflohn. Fehlt die Tarifbindung, ist es Aufgabe von Arbeitgeber und Azubis, die Höhe der Ausbildungsvergütung zu vereinbaren. Seit dem 1. Januar 2020 darf dabei die vorgeschriebene Mindestausbildungsvergütung nicht unterschritten werden. Eine Ausbildungsvergütung, die darüber liegt, kann dennoch nicht angemessen im Sinne vom § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG sein. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 Prozent von 100 unterschreitet, wie auch das vorliegende Urteil des LAG Mecklenburg-Vorpommern zeigt.

Viel Arbeit, wenig Geld: Mechatroniker-Azubi verlangt höhere Ausbildungsvergütung

Ein Auszubildender zum Kfz-Mechatroniker verlangte vom Arbeitgeber eine Nachzahlung von über 8.000 Euro. Seine Ausbildung bei einer Werft ging von 2018 bis 2021 und sah eine tägliche Ausbildungszeit von 8 Stunden, eine wöchentliche Ausbildungszeit von 40 Stunden sowie eine Vergütung von 450 Euro für das 1. Ausbildungsjahr, von 490 Euro für das 2. Ausbildungsjahr, von 550 Euro für das 3. Ausbildungsjahr und von 600 Euro für das 4. Ausbildungsjahr vor.

Der angehende Mechatroniker war der Meinung, dass die ihm gezahlte Ausbildungsvergütung nicht den Vorgaben des § 17 Berufsbildungsgesetzes nach einer "angemessenen Vergütung" entsprach. Zur Begründung verwies er auf den in Mecklenburg-Vorpommern geltenden Tarifvertrag der Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. und der IG Metall. Er gab an, dass seine Ausbildungsvergütung 80 Prozent der tariflich vorgesehenen Vergütung unterschreite. Zur Ermittlung der Vergleichsvergütung müsse die tariflich für eine regelmäßige Ausbildungszeit von 37,5 Stunden pro Woche vorgesehene Ausbildungsvergütung auf die von ihm absolvierte Ausbildungszeit von 40 Stunden pro Woche umgerechnet werden. Der Arbeitgeber verweigerte die Zahlung. Er gab an, dass er sich bei der Höhe der Ausbildungsvergütung auf Prüfungen der Handwerkskammer verlassen habe.  

LAG: Tarifverträge als Anhaltspunkt für Ausbildungsvergütung

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschied: Der Arbeitgeber muss dem Azubi die geforderte Nachzahlung leisten. Die ihm gezahlte Vergütung sei nicht angemessen gewesen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass es bei der Ermittlung, ob eine Vergütung angemessen ist, auf die Verkehrsanschauung ankomme. Für diese böten die einschlägigen Tarifverträge den wichtigsten Anhaltspunkt.

Eine Ausbildungsvergütung, die sich an einem entsprechenden Tarifvertrag ausrichte, gelte deswegen stets als angemessen. Nicht angemessen sei eine Ausbildungsvergütung dagegen in der Regel, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 Prozent unterschreite. Vorliegend stellte das Gericht fest, dass die vom Arbeitgeber gezahlte Ausbildungsvergütung unangemessen war. Daran ändere auch das ursprüngliche Einverständnis des Auszubildenden nichts. Die Ausbildungsvergütung unterschreite die Vergütungssätze der einschlägigen Tarifverträge um 20 Prozent.

Arbeitgeber muss angemessene Ausbildungsvergütung zahlen

Das Gericht hatte auch keinen Zweifel daran, dass die Höhe der Ausbildungsvergütung sich an der wöchentlichen Berufsausbildungszeit orientieren müsse. Dies habe der Gesetzgeber in § 17 Abs. 5 BBiG sowie § 17 Abs. 7 BBiG herausgestellt. Auf eine Kenntnis oder einen darauf gerichteten Willen des Ausbildenden komme es nicht an. Die Vereinbarung zur Vergütung war wegen ihrer Unangemessenheit gemäß § 25 BBiG nichtig, entschied das Gericht. An deren Stelle trete die angemessene Vergütung, also die der einschlägigen Tarifverträge -im jeweiligen Stand.


Hinweis: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 21.6.2022, Az: 2 Sa 251/21, Vorinstanz: Arbeitsgericht Rostock, Urteil vom 23. September 2021, Az: 2 Ca 459/21


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Schlagworte zum Thema:  Vergütung, Ausbildung, Urteil