Entscheidungsstichwort (Thema)
Gerichtliche Überprüfung der vereinbarten Ausbildungsvergütung
Leitsatz (amtlich)
1. Bei fehlender Tarifbindung ist es Aufgabe der Vertragsparteien, die Höhe der Ausbildungsvergütung zu vereinbaren. Die richterliche Überprüfung erstreckt sich nur darauf, ob die vereinbarte Vergütung die Mindesthöhe erreicht, die als noch angemessen anzusehen ist. Ob die Parteien den Spielraum gewahrt haben, ist unter Abwägung ihrer Interessen und unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles festzustellen. Maßgeblich dafür ist die Verkehrsanschauung (BAG, Urteil vom 16.05.2017 - 9 AZR 377/16 - Rn 13, juris).
2. Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht angemessen im Sinne vom § 17 Abs. 1 Satz 1 BBiG, wenn sie die in einem einschlägigen Tarifvertrag enthaltenen Vergütungen um mehr als 20 von 100 unterschreitet (BAG, Urteil vom 16.05.2017 - 9 AZR 377/16 - Rn 16ff, juris; BAG, Urteil vom 29.04.2015 - 9 AZR 108/14 - Rn 20, juris; BAG, Urteil vom 26.03.2013 - 3 AZR 89/11 - Rn 11, juris).
3. Der Auszubildende trägt als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die vereinbarte Ausbildungsvergütung unangemessen ist. Seiner Darlegungslast genügt er regelmäßig damit, dass er auf die einschlägige tarifliche Vergütung verweist und vorbringt, seine Ausbildungsvergütung unterschreite diese um mehr als 20 von 100. Der Ausbildende kann sich dann nicht auf den Vortrag beschränken, die von ihm gezahlte Vergütung sei angemessen. Er hat vielmehr substantiiert zu begründen, weshalb im Einzelfall ein von den genannten Grundsätzen abweichender Maßstab gelten soll (BAG, Urteil vom 16.05.2017 - 9 AZR 377/16 - Rn 23, juris).
4. Die Unangemessenheit der zwischen den Parteien vereinbarten Berufungsausbildungsvergütung bewirkt, dass diese Vereinbarung gemäß § 25 BBiG nichtig ist. An die Stelle der vereinbarten tritt die angemessene Vergütung (BAG, Urteil vom 16.07.2013 - 9 AZR 784/11 - Rn 19, juris).
Normenkette
BBiG §§ 17, 25
Verfahrensgang
ArbG Rostock (Entscheidung vom 23.09.2021; Aktenzeichen 2 Ca 459/21) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 23.09.2021 zum Aktenzeichen 2 Ca 459/21 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ausbildungsvergütungsdifferenzen.
Nachdem der im Juli 1999 geborene Kläger zunächst eine Ausbildung bei der Neptun-Werft in R. begonnen hatte, nahm er für den Zeitraum 01.01.2018 bis 28.02.2021 gemäß schriftlichem Berufsausbildungsvertrag (Bl. 7, 8 d.A.) bei der Beklagten eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker auf. Der Ausbildungsvertrag sieht eine regelmäßige tägliche Ausbildungszeit von 8 Stunden, eine wöchentliche Ausbildungszeit von 40 Stunden sowie eine Vergütung von 450 Euro für das 1. Ausbildungsjahr, von 490 Euro für das 2. Ausbildungsjahr, von 550 Euro für das 3. Ausbildungsjahr und von 600 Euro für das 4. Ausbildungsjahr vor.
Der Kläger erhielt eine Ausbildungsvergütung von monatlich 450 Euro brutto im Zeitraum Januar 2018 bis August 2018, in Höhe von 540 Euro brutto im Zeitraum September 2018 bis Juli 2019, von 490 Euro brutto im August 2019, von 600 Euro brutto im Zeitraum September 2019 bis Juli 2020 sowie von 650 Euro brutto im Zeitraum August 2020 bis Dezember 2020.
Der räumlich für das Land Mecklenburg-Vorpommern geltende, zwischen der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. und der IG Metall Bezirksleitung Küste geschlossene Manteltarifvertrag (Bl. 33 ff d.A.) (fortan: MTV) sieht in § 3 Abs. 1 a für Auszubildende eine individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen an 5 Werktagen von 37,5 Stunden vor. Der zwischen der Tarifgemeinschaft Mitteldeutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. und der IG Metall Bezirksleitung Küste geschlossene Tarifvertrag über Ausbildungsvergütungen lautet in:
§ 2
Ausbildungsvergütungen
Die Auszubildenden erhalten für die Dauer der Ausbildung eine monatliche Vergütung, die für den laufenden Kalendermonat spätestens am letzten Arbeitstag des Monats zu zahlen ist. Die monatlich zu zahlende Ausbildungsvergütung für die gewerblichen und kaufmännischen Auszubildenden beträgt
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bis 31.07.2017 |
ab 01.08.2017 |
an 01.09.2018 |
1.Ausbildungsjahr |
603,00 € |
633,00 € |
663,00 € |
2.Ausbildungsjahr |
630,00 € |
660,00 € |
690,00 € |
3.Ausbildungsjahr |
672,00 € |
702,00 € |
732,00 € |
4.Ausbildungsjahr |
714,00 € |
744,00 € |
774,00 € |
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bis 01.08.2019 |
ab 01.08.2020 |
1.Ausbildungsjahr |
713,00 € |
763,00 € |
2.Ausbildungsjahr |
750,00 € |
800,00 € |
3.Ausbildungsjahr |
790,00 € |
840,00 € |
4.Ausbildungsjahr |
845,00 € |
895,00 € |
Die Beklagte ist nicht tarifgebunden.
Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung mit Schreiben vom 02.02.2021 hat der Kläger mit der der Beklagten am 09.04.2021 zugestellten Klage eine Zahlung von 8.433,60 Euro brutto verlangt. Zur Begründung hat er angeführt, ihm stehe Vergütung in tariflich vorgesehener Höhe zu. Die im Ausbildungsvertrag ausgewiesene Ausbildungsvergütung genüge nicht den nach Vorgaben des Berufsbildungsg...