Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Verzicht auf Kündigungserleichterungen durch Arbeitgeber bei Hinweis auf "Pro forma"-Probezeit. Verbindlichkeit von Äußerungen des Arbeitgebers im Bewerbungsgespräch. Umfang der Informationspflicht gegenüber Personalrat bei Wartezeitkündigung. Substantiierungspflicht des Arbeitgebers gegenüber Personalrat bei Wartezeitkündigung. Missbräuchliche Nutzung des Kündigungsrechts durch Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Aus einer arbeitgeberseitigen Äußerung im Vorstellungsgespräch oder bei Arbeitsantritt, dass eine Probezeit nur "pro forma" vereinbart werde oder sei, lässt sich regelmäßig kein Verzicht des Arbeitgebers auf die erleichterten Kündigungsmöglichkeiten während der Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes herleiten.
2. Stützt der Arbeitgeber eine Wartezeitkündigung allein auf Werturteile, wie zum Beispiel mangelnde Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten, genügt es, dem Personalrat diese Einschätzung mitzuteilen. Die diesem subjektiven Werturteil evtl. zugrundeliegende Tatsachenelemente muss der Arbeitgeber nicht angeben. Es reicht aus, wenn er dem Personalrat lediglich das Werturteil als Ergebnis seines Entscheidungsprozesses mitteilt.
Normenkette
MBG SH §§ 51-52; KSchG § 1; BetrVG § 102; BGB §§ 242, 138; ZPO § 529 Abs. 1, § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 12.11.2020; Aktenzeichen 14 Ca 231/19) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 12.11.2020 - 14 Ca 231/19 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung in der Wartezeit (im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Probezeit bezeichnet).
Die im Juli 1978 geborene Klägerin nahm am 01.09.1998 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten auf und wurde im Anschluss daran in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Aufgrund der Entfernung zwischen ihrem Wohnort und dem vormaligen Arbeitsort in S. (rund 160 km), bewarb sich die Klägerin, die zwei minderjährige Kinder hat, Ende 2018 bei der in L. ansässigen Beklagten auf eine Stelle in C-Stadt. Im Anschluss an das Vorstellungsgespräch am 30.11.2018, bei dem auch die Vorsitzende des Personalrats anwesend war, erhielt die Klägerin am 18.12.2018 per Mail eine Einstellungszusage. Die Parteien schlossen sodann am 07.01.2019 mit Wirkung zum 01.04.2019 einen Arbeitsvertrag über eine Vollzeitbeschäftigung. Dort vereinbarten die Parteien u. a. Folgendes:
"...
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung (TV-TgDRV), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-TgDRV) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen für das Tarifgebiet Ost Anwendung.
§ 3
Die Probezeit beträgt nach § 2 Abs. 4 TV-TgDRV 6 Monate.
§ 4
Die Beschäftigte ist in die Entgeltgruppe 8 TV-TgDRV eingruppiert.
...
§ 8
Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden (§ 2 Abs. 3 Satz 1 TV-TgDRV).
..."
Am 25.02.2019 beantragte die Klägerin eine Verringerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Stunden für die Zeit vom 01.04.2019 bis zum 31.03.2024, was die Beklagte mit Schreiben vom 11.03.2019 bewilligte. Die Beklagte wies die Klägerin dem Team 25 zu, in dem auch ein Mitglied des Personalrats tätig ist. Zum 01.06.2019 wechselte die Teamleitung. Ende Juli/Anfang August 2019 fand eine Teambesprechung zur Umstrukturierung bei der Beklagten statt.
Mit Schreiben vom 22.08.2019 beantragte die Beklagte beim Personalrat die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin. In dem Schreiben heißt es:
"...
Frau A. wurde mit Wirkung vom 01.04.2019 (Entgeltgruppe 8) und einer sechsmonatigen Probezeit eingestellt.
Nach vorliegender Einschätzung / Anlassbeurteilung durch den Fachbereich vom 22.08.2019 erfüllt Frau A. zwar die fachlichen Anforderungen der Stelle, allerdings bestehen erhebliche Defizite an der persönlichen Eignung (Teamfähigkeit, Leistungsbereitschaft, Fähigkeit zum selbstständigen Arbeiten).
Seitens des Fachbereiches wurden während der Probezeit mehrere Gespräche mit der Mitarbeiterin geführt. Eine Verbesserung war nicht festzustellen.
Das Beschäftigungsverhältnis soll daher zum 30.09.2019 gemäß § 34 Abs. 1 TV-TgDRV wegen Nichtbestehens der Probezeit gekündigt werden.
Es wird um Zustimmung gebeten.
..."
Der Personalrat beantragte daraufhin eine Fristverlängerung bis zum 11.09.2019 wegen Informationsbedarfs. Am 06.09.2019 fand ein Gespräch zwischen der Personalratsvorsitzenden und einem weiteren Personalratsmitglied sowie dem Teamleiter und seiner Stellvertreterin statt. Mit der E-Mail vom 12.09.201...