Entscheidungsstichwort (Thema)
Einordnung der Beschäftigung der Klägerin rechtlich als Arbeitnehmerüberlassung. Anspruch auf Erteilung von Auskunft über die Arbeitsbedingungen sowie die Vergütung anderer Beschäftigter
Leitsatz (redaktionell)
Ein Arbeitnehmer wird nicht deshalb zu einem Leiharbeitnehmer, weil seine direkten Vorgesetzten und die Mehrzahl der Mitarbeiter im Betrieb nicht in einem Arbeitsverhältnis zu der Arbeitgeberin stehen, sondern als Leiharbeitnehmer aus einem anderen (konzernangehörigen) Unternehmen oder als zugewiesene Beamte beschäftigt sind. Der Gleichstellungsgrundsatz des § 8 I AÜG schützt Leiharbeitnehmer vor einer Schlechterstellung gegenüber einem vergleichbaren Stammarbeitnehmer. Er schützt jedoch nicht die Stammarbeitnehmer. Ein Anspruch auf Gewährung des Entgelts der besser vergüteten Leiharbeitnehmer ergibt sich daraus nicht.
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1 S. 2, § 8 Abs. 1 S. 1, § 13
Verfahrensgang
ArbG Schwerin (Entscheidung vom 02.02.2023; Aktenzeichen 1 Ca 456/22) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 02.02.2023 - 1 Ca 456/22 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob sich die Beschäftigung der Klägerin rechtlich als Arbeitnehmerüberlassung darstellt und ihr deshalb Auskunft über die Arbeitsbedingungen, insbesondere die Vergütung anderer Beschäftigter zu erteilen ist.
Die 1964 geborene Klägerin schloss mit der Beklagten zum 01.01.2013 einen Arbeitsvertrag über eine Beschäftigung als Call-Center Agentin im Servicecenter am Standort S-Stadt. Die Parteien vereinbarten eine kalenderjährliche durchschnittliche Arbeitszeit von 1.566 Stunden, was einer 30-Stunden-Woche entspricht. Die monatliche Vergütung betrug zuletzt € 1.394,66 brutto. Ein Tarifvertrag findet auf das Arbeitsverhältnis nicht Anwendung.
Die Beklagte ist ein konzernabhängiges Unternehmen, das über mehrstufige Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge mit der Nebenintervenientin verbunden ist. Die Beklagte beschäftigt bundesweit rund 2.500 Mitarbeiter/innen an 21 Standorten, von denen sie mit etwa 900 selbst einen Arbeitsvertrag geschlossen hat. Im Übrigen setzt die Beklagte Leiharbeitnehmer/innen ein, von denen mehr als 1.500 aus konzernangehörigen und rund 70 aus konzernfremden Unternehmen stammen. Gegenstand des Unternehmens ist die Erbringung von (Mehrwert-)Dienstleistungen in den Bereichen Kundenkommunikation und -prozessmanagement, Customer Relationship Management (CRM) über alle Kommunikationskanäle und -medien hinweg sowie der Betrieb von Customer Service Centern.
Am Standort S-Stadt arbeiten ca. 45 Beschäftigte. Zwei dieser Beschäftigten, u. a. die Klägerin, sind dort als Call-Center Agenten auf der Grundlage eines Arbeitsvertrages mit der Beklagten tätig, während die übrigen Beschäftigten von der Nebenintervenientin entliehen oder als Beamte nach dem Postpersonalrechtsgesetz zugewiesen sind. Die von der Nebenintervenientin entliehenen und zugewiesenen, als Call-Center Agenten eingesetzten Beschäftigten werden deutlich besser vergütet als die Klägerin. Die Nebenintervenientin verfügt über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Die unmittelbare Vorgesetzte der Klägerin ist eine Teamleiterin, Frau M., die in einem Arbeitsverhältnis zur Nebenintervenientin steht und von dieser an die Beklagte entliehen ist. Den Teamleitern übergeordnet ist eine Abteilungsleiterin, Frau Z., die verbeamtet und der Beklagten zugewiesen ist. Ihr Vorgesetzter ist der Leiter Kundencenter K-Stadt und S-Stadt, Herr M., ein Beamter. Herr M. war zunächst nach dem Postpersonalrechtsgesetz beurlaubt. Seit Eintritt in die Altersteilzeit im November 2022 ist er aufgrund einer Zuweisung dort tätig. Herr M. wiederum ist dem für den Kundenservice Privatkunden Post & Paket zuständigen Geschäftsführer unterstellt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass sie rechtlich betrachtet als Leiharbeitnehmerin beschäftigt sei, da der Betrieb gerade nicht von der Beklagten geführt werde, sondern von der Nebenintervenientin, die neben den gesamten Führungskräften auch den weitaus größten Teil der Call-Center Agenten stelle. Die Leitung der Betriebsstätte S-Stadt liege ausschließlich in den Händen der Nebenintervenientin. Tatsächlich sei die Klägerin in einer Arbeitsorganisation der Nebenintervenientin eingegliedert. Als Leiharbeitnehmerin könne sie deshalb Auskunft über die für vergleichbare Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts verlangen, um ihre Ansprüche auf Gleichstellung geltend machen zu können.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
- festzustellen, dass es sich bei der von der Klägerin zu leistenden Tätigkeit als Call-Center Agentin im Servicecenter der Beklagten am Standort S-Stadt um Arbeitnehmerüberlassung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG an die Nebenintervenientin handelt,
- die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Auskunft über die im Betrieb ...