Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung des Arbeitsverhältnisses eines angestellten Lehrers wegen angeblicher Täuschung über die Richtigkeit von Angaben zum Ausbildungsverlauf und den erzielten Abschlüssen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine arglistige Täuschung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass der Täuschende durch Vorspiegelung oder Entstellung von Tatsachen beim Erklärungsgegner einen Irrtum erregt und ihn hierdurch zur Abgabe einer Willenserklärung veranlasst hat.
2. Die Angabe, zeitweise an einer bestimmten Universität studiert zu haben, ist nicht allein deshalb falsch, weil der Studierende in diesem Zeitraum nicht bei dieser, sondern bei einer anderen Universität eingeschrieben war.
3. Die Vorlage eines von einer Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit ordnungsgemäß ausgestellten Zeugnisses stellt keine Täuschung dar, wenn dieses Zeugnis nicht durch falsche Angaben erschlichen wurde und nicht an einem offensichtlichen Mangel leidet.
Normenkette
BGB § 123 Abs. 1; LehPrVO M-V §§ 12, 13 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 01.10.2019; Aktenzeichen 13 Ca 100/19) |
Tenor
1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 01.10.2019 - 13 Ca 100/19 - wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land wird verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als vollbeschäftigte Lehrkraft gemäß Arbeitsvertrag vom 14.05.2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
3. Das beklagte Land hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung sowie über die Wirksamkeit einer vorsorglich ausgesprochenen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Der im Mai 1970 geborene Kläger nahm im Sommersemester 1992 an der Universität B-Stadt ein Magisterstudium in den Hauptfächern Geschichte und Deutsch auf. Im Sommersemester 1993 kam das Fach Philosophie hinzu, während Deutsch gleichzeitig zum Nebenfach wurde. Im Wintersemester 1994/1995 war der Kläger von der Universität B-Stadt beurlaubt. In dieser Zeit war er an der Universität G. als Gasthörer im Fach Deutsche Philologie registriert. Im Sommersemester 1995 setzte er sein Magisterstudium in B-Stadt fort und war während dieses Semesters zunächst noch als Gasthörer an der Universität G. im Fach Mittlere und Neuere Geschichte eingeschrieben. Im Wintersemester 1995/1996 immatrikulierte er sich an der Universität G. im Masterstudiengang Mittlere und Neuere Geschichte, Deutsche Philologie sowie Philosophie. Im Sommersemester 1996 wechselte der Kläger wieder zur Universität B-Stadt und vom Nebenfach Deutsch zunächst in die Germanistische Sprachwissenschaft und ab dem darauffolgenden Semester in die Germanistische Literaturwissenschaft. Im Herbst 1998 legte er an der Universität B-Stadt die Magisterprüfung in den Fächern Geschichte, Germanistische Literaturwissenschaft und Philosophie ab. Seine Magisterarbeit im Fach Geschichte hatte das Thema: Die Werke Richard Wagners am Rostocker Stadttheater in der Zeit von 1895 bis 1933 und deren Rezeption.
Von Oktober 1998 bis Mai 2003 absolvierte der Kläger an der Universität B-Stadt ein Promotionsstudium im Fach Theatergeschichte. In dieser Zeit war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in verschiedenen Projekten tätig. Am 17.06.2003 wurde er auf dem Gebiet "Neueste Geschichte und Zeitgeschichte" zum Dr. Phil. promoviert.
Von Februar 2004 bis August 2004 unterrichtete er an den Gymnasien in B. und G.. Von September 2004 bis August 2005 arbeitete er als Dozent an der "Europäischen Wirtschafts- und Sprachakademie (EWS)" in B-Stadt. Im September 2005 nahm er eine Tätigkeit als Lehrer und Schulleiter an der Evangelischen Schule in D., einer Regionalschule, auf. Während dieses Zeitraums war der Kläger an der Universität B-Stadt im Sommersemester 2006 für den Diplom-Studiengang Evangelische Theologie eingeschrieben und anschließend vom Wintersemester 2006/2007 bis einschließlich Wintersemester 2008/2009 im Studiengang Lehramt an Haupt- und Realschulen für die Fächer Mathematik, Evangelische Religion und Philosophie.
Nach Beendigung der Tätigkeit an der Regionalschule in D. im August 2010 unterrichtete der Kläger für die Dauer eines Schulhalbjahres an einer Privatschule in B-Stadt, bevor er im Februar 2011 die Leitung der Evangelischen Johannes-Schule in L., einer Grundschule mit Orientierungsstufe, übernahm. Zwischen Herbst 2011 und Frühjahr 2015 besuchte der Kläger an der Universität B-Stadt verschiedene Lehrveranstaltungen in den Fachbereichen Geschichte, Deutsch und Philosophie. Eingeschrieben war er in diesem Zeitraum nicht mehr.
Mit Bescheid vom 12.06.2015 erkannte das Lehrerprüfungsamt Mecklenburg-Vorpommern auf Antrag des Klägers vom 04.02.2015 verschiedene, an der Universität B-Stadt erbrachte Leistungen aus anderen Studiengängen für das Lehramt an Gymnasien an. Es bezog sic...