Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung des Arbeitsverhältnisses mit einem Lehrer wegen arglistiger Täuschung über die Lehrbefähigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zwischen der Täuschung und der abgegebenen Willenserklärung muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Die Kausalität ist gegeben, wenn der Getäuschte die Willenserklärung ohne die Täuschung entweder gar nicht oder nicht mit diesem Inhalt oder nicht zu diesem Zeitpunkt abgegeben hätte.

2. Die Darlegungs- und Beweislast trägt auch insofern der Anfechtende. Allerdings kann ein Beweis des ersten Anscheins dafürsprechen, dass die Täuschung den Entschluss des Erklärenden beeinflusst hat, wenn die falsch angegebenen Tatsachen nach der allgemeinen Lebenserfahrung üblicherweise für eine solche Erklärung von Bedeutung sind.

 

Normenkette

BGB § 123 Abs. 1, § 142 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stralsund (Entscheidung vom 10.09.2019; Aktenzeichen 13 Ca 63/19)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 10.09.2019 - 13 Ca 63/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen falscher Angaben in den Bewerbungsunterlagen zur Lehrbefähigung.

Der im Juli 1963 geborene Kläger erhielt im August 1986 vom Institut für Lehrerbildung in T. die Befähigung zur Arbeit als Horterzieher sowie die Lehrbefähigung für die Fächer Sport und Werkunterricht der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. Das berechtigt ihn ausweislich des Fachschulzeugnisses, die Berufsbezeichnung Horterzieher zu führen. Der Kläger war seinerzeit als Trainer im Leistungssport Turnen und Ringen tätig. Nach der Wiedervereinigung wechselte er in die Versicherungsbranche. Später war er mehrere Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Rechtsanwaltskanzlei beschäftigt.

Unter dem Datum 15.10.2017 bewarb sich der Kläger in der Online-Stellenbörse des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur als Grundschullehrer an verschiedenen Grundschulen. In dem Bewerbungsbogen machte er u. a. folgende Angaben (Eintragungen des Klägers in eckigen Klammern):

"...

2. Angaben zu den abgelegten Prüfungen

Lehramt bzw. staatlicher Abschluss bzw. sonstiger Abschluss

[Lehramt]

1. Staatsprüfung bzw. sonstiger Abschluss:

Gesamtnote [2,5] Abschlussjahr [1986] Bundesland [Mecklenburg-Vorpommern]

2. Staatsprüfung

Gesamtnote [2,5] Abschlussjahr [1989] Bundesland [Mecklenburg-Vorpommern]

Lehrbefähigung/Abschluss für die Fächer / Fachrichtungen

[Sport] [Werkunterricht]

...

4. Bewerbungsunterlagen

Tabellarischer Lebenslauf mit Lichtbild

Zeugniskopien Anzahl: [25]

....

Ich bewerbe mich hiermit um Einstellung in den öffentlichen Schuldienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern.

Ich versichere, dass die auf dem Bewerbungsbogen gemachten Angaben vollständig und richtig sind.

Mir ist bekannt, dass eine Einstellung anfechtbar ist, wenn sie z. B. durch arglistige Täuschung und unrichtige bzw. unvollständige Angaben herbeigeführt wurde.

..."

Unter den 25 hochgeladenen Zeugniskopien befanden sich auch ein vom Land Mecklenburg-Vorpommern ausgestelltes "Zeugnis über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Haupt- und Realschulen" vom 27.05.1993 und ein "Zeugnis über die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Haupt- und Realschulen" vom 28.03.1995, beide ausgestellt auf den Kläger und versehen mit seinem Geburtsdatum. Beide Zeugnisse sind, wie sich später herausstellte, gefälscht, da der Kläger weder ein 1. noch ein 2. Staatsexamen für das Lehramt an Haupt- und Realschulen abgelegt hat.

In dem ebenfalls übersandten Lebenslauf vom 10.10.2017 heißt es:

"...

09/1988 - 07/1995

Lehramt-Studium an der E. -M.-A. Universität

• Schwerpunkt: Schulsport

• Zweitfach Geschichte

• Pädagogik und Psychologie

..."

Das beklagte Land stellte den Kläger zum 01.12.2017 unbefristet als vollbeschäftigte Lehrkraft ein. Der Arbeitsvertrag vom 20.11.2017 sieht eine Eingruppierung in der Entgeltgruppe 11 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vor. Der Kläger unterrichtete zunächst an einer Grundschule.

Anlässlich seiner Versetzung an eine Regionalschule schlossen die Parteien am 24.08.2018 einen Änderungsvertrag, der eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 13 TV-L vorsieht.

Am 04.02.2019 führte das beklagte Land mit dem Kläger wegen eines Chatverlaufs mit einer Schülerin ein Personalgespräch. Auf Nachfrage, an welcher Schule er den Vorbereitungsdienst ableistete, räumte der Kläger ein, keinen Vorbereitungsdienst absolviert zu haben, und gestand die Fälschung der Examenszeugnisse zu.

Mit Schreiben vom 05.02.2019, dem Kläger zugegangen am selben Tag, erklärte das beklagte Land die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Mit den beiden Schreiben vom 12.02.2019, dem Kläger zugegangen am 13.02.2019, kündigte das beklagte Land nach Beteiligung des Personalrats das Arbeitsverhältnis vorsorglich fristlos und hilfsweise fristgemäß zum 31.03.201...

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