Keine Benachteiligung wegen Schwerbehinderung bei Fristversäumnis

Wenn ein schwerbehinderter Bewerber nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, weil er seine Bewerbung nicht fristgerecht abgegeben hat, erhält er keine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschieden.

Vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern stritten sich die Parteien über die Zahlung einer Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung.

Das beklagte Amt hatte über das Portal "Interamt.de" einen zum 1.9.2020 zu besetzenden Dienstposten "Amtsleitung für Zentrale Dienste und Finanzen (m/w/d)" mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TVöD-VKA ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist lief bis zum 8.5.2020. Der Kläger bewarb sich auf diese Stelle, allerdings erst mit E-Mail vom 11.5.2020. Zu diesem Zeitpunkt bestand bei ihm eine Schwerbehinderung mit einem GdB von 50. Seine 56 Seiten umfassende Bewerbung druckte der leitende Verwaltungsbeamte aus und vermerkte darauf handschriftlich "verfristet!". Er wies die Personalleiterin an, dem Kläger eine Absage zu erteilen. Eine Schwerbehindertenvertretung existiert bei dem Beklagten nicht.

Der Kläger erhob Klage. Er verlangte von dem Beklagten eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 11.568 EUR mit der Begründung, der Beklagte habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt.

Keine Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das LAG urteilte, dass der Kläger nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei.

Das Gericht führte aus, dass ein Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, zwar regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung begründe. Das gelte insbesondere auch für einen Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 165 Satz 3 SGB IX geregelte Pflicht zur Einladung eines schwerbehinderten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch.

Der Arbeitgeber könne jedoch die Vermutung widerlegen, wenn er nachweisen kann, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben sei, die weder einen Bezug zur Behinderung aufwiesen noch die fehlende fachliche Eignung des Bewerbers bzw. der Bewerberin berührten.

Im vorliegenden Fall sah das Gericht als alleinige Ursache für den Ausschluss aus dem weiteren Bewerbungsverfahren allein die Verfristung der Bewerbung. Eine Verletzung des allgemeinen Bewerbungsverfahrensanspruchs führe zwar auch zu einer Benachteiligung des Bewerbers. Eine solche Benachteiligung weise jedoch nicht zwangsläufig einen Zusammenhang mit einer Schwerbehinderung auf, welche einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG auslöse, sondern gewähre ggf. die Möglichkeit, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine endgültige Besetzung der Stelle zeitweise zu verhindern. Auch wenn die beim Beklagten "gelebte Praxis" ggf. rechtswidrig sein mag, betreffe sie alle Bewerber gleichermaßen, und zwar unabhängig von einer Schwerbehinderung, dem Geschlecht, der ethnischen Herkunft oder der Religion.

(LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 5.12.2023, 5 Sa 3/23)