Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Befristung eines Arbeitsverhältnisses bis zum Tod des Arbeitgebers. Besonderes Arbeitsverhältnis einer Pflegekraft. Beschränkter Bestandsschutz pflegender Arbeitnehmer. Kein Mutterschutz bei befristeten Arbeitsverhältnissen
Leitsatz (amtlich)
Die Befristung des Arbeitsvertrages einer Pflegekraft, die von einem pflegebedürftigen (querschnittsgelähmten) Arbeitgeber zur eigenen Versorgung eingestellt wurde, auf den Tod des Arbeitgebers kann aus dem sachlichen Grund der Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt sein.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, § 15 Abs. 2, § 21; MuSchG § 17; BGB § 1922; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 21.10.2020; Aktenzeichen 11 Ca 179/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 21.10.2020 - 11 Ca 179/20 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem verstorbenen Herrn , übergegangen auf die Beklagten als Erbengemeinschaft, durch die Befristung bzw. Bedingung im Arbeitsvertrag vom 30.04.2009 und durch die Kündigung vom 27.03.2020 nicht vor dem 10.04.2020 aufgelöst worden ist.
Im Übrigen bleibt es bei der Klageabweisung.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Zweckbefristung eines der Pflege des Arbeitgebers dienenden Arbeitsverhältnisses sowie die Wirksamkeit einer vorsorglich ausgesprochenen Kündigung.
Der 1962 geborene, zwischenzeitlich verstorbene Arbeitgeber war seit einem Arbeitsunfall querschnittsgelähmt. Er beschäftigte für die benötigte 24-Stunden-Betreuung zeitweise mehrere Pflegekräfte im Schichtdienst. Die Klägerin stellte er zum 15.11.2008 ein.
In dem mit Wirkung zum 01.05.2009 geschlossenen Änderungsvertrag vom 30.04.2009 heißt es:
"...
§ 9
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
...
(2) Bei Tod des Arbeitgebers oder dessen dauerhaften Unterbringung in einer stationären Einrichtung endet der Vertrag 14 Tage nach dem Todestag bzw. dem Aufnahmetag, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
..."
Zu den Aufgaben der Klägerin gehörten nach § 3 dieses Änderungsvertrages alle Maßnahmen der Grundpflege, Behandlungspflege, Pflegedokumentation, Pflegeplanung und hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, die zur Aufrechterhaltung einer eigenen Haushaltsführung notwendig sind, z. B. Zubereitung der Mahlzeiten, Spülen, Reinigung der Wohnung, Einkäufe, Reinigung und Pflege der Wäsche, Heizen der Wohnung, Begleiten beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung.
Im Herbst 2019 wurde die Klägerin schwanger. Ab dem 28.11.2019 befand sie sich im Beschäftigungsverbot. Das monatliche Gehalt der Klägerin betrug zuletzt € 3.056,66 brutto.
Der Arbeitgeber verstarb am 21.03.2020. Seinem Neffen hatte er eine über den Tod hinaus gültige Vorsorgevollmacht erteilt. Dieser fragte, anwaltlich vertreten, mit E-Mail vom 25.03.2020 beim Landesamt für Gesundheit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern wegen der behördlichen Zustimmung zur Kündigung der Klägerin an. Das Landesamt verwies auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf und hielt deshalb eine Zustimmung zur Kündigung nicht für nötig. Mit Schreiben vom 27.03.2020, der Klägerin am selben Tag zugegangen, unterrichtete der Neffe die Klägerin unter Bezugnahme auf die Vorsorgevollmacht sowie § 9 des Arbeitsvertrages über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 04.04.2020. Vorsorglich kündigte er das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit einer Auslauffrist zum 04.04.2020, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.
Erben des verstorbenen Arbeitgebers sind laut Erbschein des Amtsgerichts Pasewalk vom 28.12.2020 die vier Beklagten zu unterschiedlichen Anteilen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dass die Regelung in § 9 des Arbeitsvertrages, nach der das Arbeitsverhältnis automatisch 14 Tage nach dem Tod des Arbeitgebers ende, unwirksam sei. Dadurch werde das Mutterschutzgesetz umgangen und zudem die gesetzliche Kündigungsfrist verkürzt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien, Erben des Herrn /ehemals mit Herrn und der Klägerin, durch die Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 27.03.2020, zugegangen am 27.03.2020, nicht am 04.04.2020 aufgelöst wurde, sondern ungekündigt fortbesteht.
Die beklagte Partei hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, dass es kein Rechtsschutzinteresse gebe, die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27.03.2020 feststellen zu lassen, da das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 04.04.2020 automatisch geendet habe.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Nach § 17 MuSchG sei eine Kündigung während der Schwangerschaft unzulässig. Diese Regelung solle eine finanzielle Absicherung der ...