Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweckbefristeter Arbeitsvertrag. Arbeitsvertrag mit auflösender Bedingung. "Eigenart der Arbeitsleistung" als sachlicher Befristungsgrund. Dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG. Vorrang der Änderungskündigung vor der Beendigungskündigung. Auflösungsgründe für den Arbeitgeber nach § 9 Abs. 1 KSchG

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vereinbarung einer Zweckbefristung oder auflösenden Bedingung ist unwirksam, wenn das zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Ereignis der Dispositionsmöglichkeit des Arbeitgebers unterliegt

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein zweckbefristeter Arbeitsvertrag liegt vor, wenn sich die Dauer des Vertrages aus der Art, dem Zweck oder der Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt und das Arbeitsverhältnis bei Eintritt eines künftigen Ereignisses enden soll, wobei die Vertragsparteien den Eintritt des künftigen Ereignisses als feststehend und nur den Zeitpunkt des Eintritts als ungewiss betrachten.

2. Bei einer auflösenden Bedingung hängt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls vom Eintritt eines künftigen Ereignisses ab, es ist aber ungewiss, ob dieses künftige Ereignis überhaupt eintreten wird.

3. Die Eigenart der Arbeitsleistung kann die Befristung eines Arbeitsvertrags nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten oder auflösend bedingten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen.

4. Dringende betriebliche Erfordernisse i.S.d. § 1 Abs. 2 KSchG liegen vor, wenn die Umsetzung einer unternehmerischen (Organisations-)Entscheidung auf der betrieblichen Ebene spätestens mit Ablauf der Kündigungsfrist zu einem voraussichtlich dauerhaften Wegfall des Bedarfs an einer Beschäftigung des betroffenen Arbeitnehmers führt. Diese Prognose muss schon im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv berechtigt sein.

5. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat die Änderungskündigung Vorrang vor der Beendigungskündigung mit der Folge, dass eine Beendigungskündigung unwirksam ist, wenn eine mögliche Änderungskündigung unterblieben ist.

6. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit sei gefährdet.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 2, § 21; KSchG § 1 Abs. 2; TzBfG § 3 Abs. 1; GewO § 106; KSchG § 9 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 17.12.2021; Aktenzeichen 13 Ca 1354/21)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17.12.2021 - 13 Ca 1354/21 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht auf Grund der Befristungsabrede vom 15.02.2010 zum 31.03.2021 geendet hat.
    2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 21.02.2021 nicht aufgelöst worden ist.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  • II.

    Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

  • III.

    Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen

  • IV.

    Die Kosten des Rechtsstreits sind zu 1/4 von der Klägerin und zu 3/4 von der Beklagten zu tragen.

  • V.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Zweckbefristung und einer betriebsbedingten Kündigung sowie zweitinstanzlich über einen Auflösungsantrag der Beklagten.

Die Klägerin ist seit dem 15.02.2019 auf Grundlage eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses als persönliche Assistentin bei der Beklagten zu einer monatlichen Bruttovergütung von 450,00 Euro beschäftigt. Die Beklagte erbringt Assistenzdienstleistungen für schwerbehinderte Menschen und beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer.

In dem zwischen den Parteien am 15.02.2019 mit der Überschrift "Zweckbefristeter Arbeitsvertrag" geschlossenen Vereinbarung heißt es u.a.:

"§ 8 Beginn, Dauer, Ruhen und Beendigung des Arbeitsver hältnisses

1. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 15.02.2019.

2. Das Arbeitsverhältnis ist zweckbefristet. Es endet nicht zu einem vorab festgelegten Zeitpunkt.

Zweck des Arbeitsverhältnisses ist die kundengebundene Mitarbeit im Team für Frau K F

3. Der Arbeitsvertrag endet automatisch bzw. ohne Kündigung, wenn der Zweck des Vertrags erreicht wird.

Dieses ist der Fall, wenn der Auftrag des Arbeitgebers zur individuellen Assistenz des Kunden endet, die Bewilligung des Leistungsträgers endet, die Kundin/der Kunde verstirbt oder die zu unterstützende Person die weitere Unterstützung durch die Mitarbeiterin / den Mitarbeiter auf Dauer ablehnt.

In diesem ...

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