Entscheidungsstichwort (Thema)
Der arbeitsrechtliche Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn". Abgestufte Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Erfüllung oder Nichterfüllung der Arbeitspflicht des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
1. Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt ganz oder teilweise, wenn der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen, z. B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
2. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast, dass und in welchem Umfang der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht erfüllt hat. Auf den entsprechenden Prozessvortrag des Arbeitgebers hat der Arbeitnehmer sodann substantiiert zu erwidern. Das gilt auch bei Arbeitsleistungen im Home-Office.
Leitsatz (redaktionell)
Der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers entfällt ganz oder teilweise, wenn er seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommt, es sei denn, die Vergütung ist aus anderen Rechtsgründen fortzuzahlen. Das entspricht dem Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn". Die Erbringung der Arbeitsleistung ist eine Fixschuld, die an feste Zeiten, also an bestimmte Tage und Stunden gebunden ist und grundsätzlich nicht nachgeholt werden kann.
Normenkette
BGB §§ 611a, 326 Abs. 1, § 275 Abs. 1, § 812 Abs. 1 S. 1; BUrlG § 7 Abs. 4, § 11 Abs. 1; EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; BGB § 441 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Stralsund (Entscheidung vom 23.11.2022; Aktenzeichen 11 Ca 180/22) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund (Kammern Neubrandenburg) vom 23.11.2022 - 11 Ca 180/22 - teilweise abgeändert, soweit die Beklagte zur Zahlung von Urlaubsabgeltung über einen Betrag von € 1.703,08 brutto hinaus verurteilt wurde. In dem darüber hinausgehenden Umfang von € 141,92 wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von restlichem Arbeitsentgelt, die Abgeltung von Urlaub und insbesondere über die Rückzahlung von Arbeitsentgelt für Zeiten im Home-Office.
Die 1980 geborene Klägerin ist diplomierte Pflegewirtin (FH) und verfügt über einen Magisterabschluss Medizinpädagogik. Am 01.12.2021 nahm sie bei der Beklagten eine Tätigkeit als Pflegemanagerin und leitende Pflegefachkraft in der Tagespflege bzw. der ambulanten Pflege mit einer Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Monatsgehalt von € 4.100,00 brutto auf. Die Klägerin ist einem 12-jährigen Kind unterhaltspflichtig.
Der Arbeitsvertrag der Parteien enthält folgende Klausel:
"...
Alle Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien aus oder im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht werden, ausgenommen sind Ansprüche aus Mindestlohn. Dies gilt nicht für Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatz.
..."
Die Beklagte betreibt eine Tagespflegeeinrichtung sowie eine Einrichtung des betreuten Wohnens. Der Klägerin war gestattet, im Home-Office zu arbeiten. Die Arbeitszeiten waren monatlich in einer vorgegebenen Tabelle nach Arbeitsbeginn und Arbeitsende zu erfassen. Die Klägerin hatte insbesondere die Aufgabe, das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen zu überarbeiten.
In der Zeiterfassung für den Monat Dezember 2021 trug die Klägerin unter dem Kürzel BAP insgesamt 116:15 Stunden Home-Office und eine Gesamtarbeitszeit von 199:15 Stunden ein. Der Stundenzettel wurde im Auftrag der Beklagten von einer anderen Mitarbeiterin abgezeichnet. Am 14.12.2021, einem Arbeitstag im Home-Office, übersandte die Klägerin der Beklagten, zu Händen Frau G., eine E-Mail, in der sie um nähere Informationen zu Betreuungsverträgen und zu Regelungen mit der Auszubildenden, insbesondere zum Inhalt des Ausbildungsvertrages, bat.
Die Zeiterfassung für den Monat Januar 2022 weist insgesamt 166:15 Stunden aus, von denen 107:45 Stunden auf das Home-Office (BAP) entfallen. Am 20.01.2022, einem Arbeitstag im Home-Office, übersandte die Klägerin der stellvertretenden Pflegedienstleiterin, Frau B., verschiedene Word-Dokumente unter Hinweis auf den baldigen Abschluss der Qualitätsmanagement-Arbeiten. Mit E-Mail vom 21.01.2022 übersandte die Klägerin aus dem Home-Office an Frau G. zur Weiterleitung an die geschäftsführende Gesellschafterin S. verschiedene Word-Dokumente (Fortbildungsplan komplett, Verfahrensanweisung Dekubitusprophylaxe, Verfahrensanweisung Sturzprophylaxe, Verfahrensanweisung zum Umgang mit drohender oder bestehender Mangelernährung, Termine DB 2022, Verfahrensanweisung zur Förderung der Harninkontinenz, Verfahrensanweisung Schmerzmanagement). Zudem bat die Klägerin nochmals um Auskünfte zu dem Ausbildungsvertrag. Des Weiteren äußerte sie sich zur Zusammenarbeit mit einer Pflegefachk...