Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfreistellung für Schulung eines Betriebsratsmitglieds zu Fragen der Schikanierung am Arbeitsplatz
Leitsatz (amtlich)
1. Der Betriebsrat überschreitet sein Ermessen, ein Betriebsratsmitglied zu einer Spezialschulung zum Thema Mobbing zu entsenden dann nicht, wenn er aktuelle betriebliche Konflikte vortragen kann, auch wenn sich diese noch nicht in einem Mobbing manifestiert haben oder, wenn er auf Grund der bestehenden Konflikte eine Befassung mit diesem Thema (Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu Thema Mobbing) beabsichtigt. Dem Betriebsrat ist es möglich, auch präventiv tätig zu werden, d.h. er muss nicht den Eintritt von Mobbingsituationen im Betrieb abwarten, ehe er eines seiner Mitglieder schulen darf.
2. Der Schulungsteilnahme steht es nicht entgegen, dass etwa 8 Jahre vorher der Betriebsratsvorsitzende bereits eine Schulung zu diesem Thema besucht hatte. Der Betriebsrat kann die Schulung eines weiteren Betriebsratsmitglieds für Vertretungsfälle ins Auge fassen, insbesondere wenn der Betriebsratsvorsitzende auf Grund seiner Ämter häufig nicht im Betrieb anwesend ist.
3. Das Bestehen einer betrieblichen Sozialberatung steht einer Schulung eines Betriebsratsmitglieds nicht entgegen. Das BetrVG weist dem Betriebsrat in diesem Bereich ebenso Beteiligungsrechte zu, so dass zumindest eine ausreichende Anzahl seiner Mitglieder geschult sein muss, falls Mitarbeiter des Betriebes den Betriebsrat wegen (vermeintlichen) Mobbings kontaktieren.
4. Der Betriebsrat hat ein gewisses Auswahlermessen, zu welcher Schulung er sein Mitglied entsendet. Er ist nicht gehalten, anstelle einer mit Kosten verbundenen Teilnahme an einer Schulungsmaßnahme eines freien Schulungsträgers eine kostenfreie eintägige Veranstaltung des Integrationsamtes zu buchen, sofern diese Veranstaltung nicht als inhaltlich gleichwertig hinsichtlich der Bedürfnisse des Betriebsrats zu bewerten ist.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6, § 87 Abs. 1 Nrn. 1, 7, §§ 87, 85, 40 Abs. 1, § 75
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 15.03.2012; Aktenzeichen 8 BV 249/11) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 15.03.2012 - 8 BV 249/11 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beteiligte zu 2 verpflichtet wird, den Betriebsrat auch von € 59,85 Reisekosten und € 485,52 Übernachtungs- und Verpflegungskosten freizustellen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um den Ersatz von Schulungskosten für den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden B..
Der Antragsteller und Beteiligte zu 1. (nachfolgend: Betriebsrat) ist der 11-köpfige Betriebsrat im Betrieb der Beteiligten zu 2. (nachfolgend: Arbeitgeberin) in München, wo diese ca. 600 Arbeitnehmer beschäftigt. Im Betrieb besteht ein Sozialdienst, der mit 2 Mitarbeitern besetzt ist, die sich der Anliegen der Beschäftigten und deren Gesundheitsschutz annehmen und der Schweigepflicht unterliegen.
Der Betriebsratsvorsitzende H. hatte vom 17. Feb. Bis 20. Feb. 2004 ein Seminar des Anbieters W.A.F. zum Thema "So erkennen und verstehen Sie als Betriebsrat Mobbing (Diskriminierung) am Arbeitsplatz" besucht. Dennoch beschloss der Betriebsrat im Juli 2010, den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden B. zu einem Seminar der W.A.F. vom 14. März bis 17. März 2011 in Dresden zum Thema "Mobbing" zu entsenden. Nach verweigerter Kostenübernahmeerklärung durch die Arbeitgeberin infolge bestrittener Erforderlichkeit des Seminarbesuches nahm Herr B. vom Besuch des Seminars Abstand.
Am 5. Apr. 2011 beschloss der Betriebsrat, den stellvertretenden Vorsitzenden zum Seminar "Mobbing - Diskriminierung am Arbeitsplatz Teil I" des Veranstalters ifb - Institut zur Fortbildung von Betriebsräten vom 31. Okt. bis 4. Nov. 2011 in Köln zu entsenden.
Der Bitte des Betriebsrats um Freistellung und Kostenübernahme (Mail vom 11. Apr. 2011, Anl. A 3, Bl. 27 f. d. A.) entsprach die Arbeitgeberin nicht, da - aus ihrer Sicht - die Erforderlichkeit des Seminarbesuches fehlte (Anlage A 5, Bl. 32 d. A.).
Mit seiner am 3. Juni 2011 beim Arbeitsgericht München eingegangenen und der Arbeitgeberin am 16. Juni 2011 zugestellten Antragsschrift vom 2. Juni 2011 hat der Betriebsrat die Freistellung des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden zur Teilnahme am Seminar in Köln und die Freistellung des Betriebsrats von den Schulungskosten sowie den Kosten für Fahrt, Übernachtung und Verpflegung begehrt.
Er hat die Kostentragungsverpflichtung der Arbeitgeberin für gegeben erachtet. Der Seminarbesuch sei erforderlich, damit der Betriebsrat den künftig auftretenden Problemen genügen könne. So habe es in der Vergangenheit Mobbingfälle im Unternehmen gegeben, auch gegenwärtig seien solche relevant, wie er auf S. 4 ff. des Schriftsatzes vom 21. Sept. 2011 (Bl. 102 ff. d. A.) ausführt. Der Sozialdienst könne nicht, vergleichbar dem in den betrieblichen Verhältnissen erfahrenen Bet...