Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswidriger Ausschluss geringfügig Beschäftigter von der betrieblichen Altersversorgung einer Gewerkschaft. Feststellungsklage zum Anspruch auf Anmeldung bei der Unterstützungskasse
Leitsatz (amtlich)
Die Klägerin hat Anspruch auf Zugang zur betrieblichen Altersversorgung nach § 611 BGB. Die Beklagte kann sich dem gegenüber nicht darauf berufen, dass die Versorgungsordnung geringfügig Beschäftigte wie die Klägerin aus der betrieblichen Altersversorgung ausnimmt, weil diese Regelung gegen § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darf eine teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als eine vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmerin, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung; eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit der Umstand ist, an den die unterschiedliche Behandlung bei den Arbeitsbedingungen anknüpft.
2. § 4 Abs. 1 TzBfG enthält ein einheitliches Verbot der sachlich nicht gerechtfertigten Benachteiligung wegen der Teilzeitarbeit; § 4 Abs. 1 Satz 2 TzBfG verbietet ausdrücklich eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten beim Arbeitsentgelt, wenn auch nicht ausnahmslos.
3. Nach der Klarstellung in § 2 Abs. 2 TzBfG ist teilzeitbeschäftigt auch eine Arbeitnehmerin, die eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des SGB IV ausübt.
4. Sollen nach einer Versorgungsordnung geringfügig Beschäftigte im Gegensatz zu Vollzeitbeschäftigten keinen Zugang zur betrieblichen Altersversorgung erhalten, werden geringfügig Beschäftigte nicht nur gegenüber Vollzeitbeschäftigten schlechter gestellt sondern auch gegenüber Teilzeitbeschäftigten, die nicht nur geringfügig beschäftigt sind, soweit auch diese nach der Versorgungsordnung einen Zugang zur betrieblichen Altersversorgung haben sollen.
5. Die Gesetzgebung hat seit dem 01.04.1999 ein Versorgungsbedürfnis auch für geringfügig Beschäftigte anerkannt, indem sie die gesetzliche Rentenversicherung schrittweise für geringfügig Beschäftigte geöffnet hat; dass diese Öffnung nur schrittweise geschah und bis heute Ausnahmen vorsieht, ist den gewachsenen Strukturen geschuldet und ändert nichts an dem bereits erfolgten Paradigmenwechsel.
Normenkette
ZPO § 256; BGB § 611; ZPO § 256 Abs. 1; BGB § 611 Abs. 1; TzBfG § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1 Sätze 1-2; SGB IV § 8 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Rosenheim (Entscheidung vom 24.02.2015; Aktenzeichen 5 Ca 1308/14) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Rosenheim vom 24.02.2015, 5 Ca 1308/14, abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin mit Wirkung ab dem 01.03.2007 auf der Grundlage der VO95 bei der Unterstützungskasse neu anzumelden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine betriebliche Altersversorgung für die Klägerin.
Die 1961 geborene Klägerin war ab dem 01.11.1991 in A-Stadt bei der E. beschäftigt. Im Jahr 2001 entstand die Beklagte durch Verschmelzung von fünf Gewerkschaften, u.a. der damaligen Arbeitgeberin der Klägerin.
Mit Arbeitsvertrag vom 27.02.2004 vereinbarten die Parteien eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses als geringfügig Beschäftigte ab dem 01.03.2004 mit Anrechnung der bisherigen Beschäftigungsdauer. Der Bruttomonatsverdienst der Klägerin beträgt € xxx.
§ 3 dieses Arbeitsvertrages lautet wie folgt:
"§ 3 Allgemeine Arbeitsbedingungen
Auf das Vertragsverhältnis finden die "Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten der C." (AAB C.), die Gesamtbetriebsvereinbarungen und Betriebsvereinbarungen sowie Richtlinien für C. in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung. Mit ihrem Inkrafttreten werden diese Regelungen verbindliche Bestandteile dieses Vertrages.
..."
Zum weiteren Wortlaut des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 6 ff d. A. verwiesen.
§ 20 der Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die C.-Beschäftigten zum Stand Februar 2011 lautet wie folgt:
"§ 20 Betriebliche Altersversorgung
C. gewährt seinen Beschäftigten eine betriebliche Altersversorgung.
Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchshöhe werden in einer GBV geregelt."
Zum weiteren Wortlaut der Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die C.-Beschäftigten siehe Bl. 9 ff d. A.
§ 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuregelung der Zusagen auf betriebliche Altersversorgung in C. lautet wie folgt:
"§ 4 Beschäftigte ohne Versorgungszusage sowie neu eingestellte Beschäftigte
(1) Beschäftigte, denen bisher innerhalb der Gründungsorganisationen oder von C. keine Versorgungszusage gegeben worden ist, werden mit Wirkung ab dem 01.03.2007 auf der Grundlage der VO95 bei der Unterstützungskasse neu angemeldet.
(2) Ab dem 01.03.2007 neu eingestellte Beschäftigte erhalten eine Versorgungszusage nach VO95."
Zum weiteren Wortlaut der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Neuregelung der Zusagen auf betrie...