Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung wegen absehbaren Minderbedarfs. Schließung einer Teileinheit der Bundeswehr. Unterbringung unbefristet Beschäftigter. Änderung der prognostizierten Planung. vorbehaltloser Abschluss eines befristeten Folgevertrages während einer bereits anhängigen Befristungskontrollklage
Leitsatz (amtlich)
1) Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsverhältnisses vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht.
a) Das Gericht muss dazu feststellen können, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund greifbarer Tatsachen mit einiger Sicherheit erwarten durfte, dass für eine Beschäftigung des befristet eingestellten Mitarbeiters über das vorgesehne Vertragsende hinaus kein Bedarf bestand.
b) Ein vorübergehender betrieblicher Bedarf an Arbeitskräften kann neben den Fällen zeitweiser Zusatzaufgaben auch dann vorliegen, wenn die vorhandene Arbeitsmenge in absehbarer Zeit abnimmt (z. B. durch Rationalisierungen bzw. (Teil-)Stillegungen), bis dahin aber noch zusätzliche Arbeitskräfte benötigt werden. Der Umfang deshalb befristeter Arbeitsverhältnisse muss sich im Rahmen des prognostizierten Minderbedarfs halten (hier: Schließung einer Teileinheit der Marine; befristete Beschäftigung eines Festmacherhelfers im Hinblick auf einen nach § 3 TV UmBW unterzubringenden, unbefristet beschäftigten Mechaniker/Kraftfahrer).
c) Erweist sich die Prognose als zutreffend, so ist die Befristung regelmäßig sachlich gerechtfertigt. Ist dies hingegen nicht der Fall, muss der Arbeitgeber schlüssig und widerspruchsfrei darlegen, aus welchen Gründen die tatsächliche Entwicklung hinsichtlich des Arbeitskräftebedarfs anders verlaufen ist als bei Vertragsschluss prognostiziert (hier: Unterbringung des Mechanikers/Kraftfahrers auf einen – anderen – Schonarbeitsplatz nach Vorlage eines ärztlichen Gutachtens.)
2) Die Arbeitsvertragsparteien stellen ihre Vertragsbeziehungen durch einen ohne (zumindest konkludenten) Vorbehalt geschlossenen Folgevertrag auf eine neue Rechtsgrundlage und heben damit zugliche alle vorherigen Rechtsbeziehungen auf. In der Konsequenz dieser (ständigen) Rechtsprechung kann sich der Arbeitnehmer nicht mehr auf ein zuvor unbefristetes Arbeitsverhältnis berufen, und zwar selbst dann nicht, wenn er den Folgevertrag während eines noch laufenden Rechtsstreits abschließt, indem er die Unwirksamkeit der vorhergehenden Befristung rechtzeitig innerhalb der Frist des § 17 TzBfG angegriffen hat. (Fortführung von LAG Niedersachsen 12.01.2004 – 5 Sa 1130/03 E, Revision zugelassen).
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Ziff. 1; TV UmBW § 3
Verfahrensgang
ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 22.05.2003; Aktenzeichen 2 Ca 602/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 22.05.2003 – 2 Ca 602/02 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung der letzten beiden zwischen ihnen begründeten Arbeitsverhältnisse.
Der am 17.01.1965 geborene Kläger ist seit dem 02.08.1999 bei der Beklagten als Festmacherhelfer im Bereich der Standortverwaltung Wilhelmshaven beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterliegt kraft jeweiliger einzelvertraglicher Bezugnahme den Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Arbeiterinnen und Arbeiter des Bundes und der Länder (MTArb) nebst Ergänzungen und Änderungen.
Das Arbeitsverhältnis wurde durch Arbeitsvertrag vom 02.08.1999 begründet, der nach Maßgabe des Beschäftigungsförderungsgesetzes bis zum 31.07.2001 befristet war.
Mit Vertrag vom 23.07.2001 trafen die Parteien unter § 1 des sich daran anschließenden Arbeitsvertrages vom 23.07.2001 folgende Vereinbarung:
„Herr B… wird mit Wirkung vom 01.08.2001 als vollbeschäftigter Arbeiter vorübergehend bis zur Einnahme der neuen Organisationsstruktur (Umgliederung des Marineabschnittskommandos, voraussichtlich 01.04.2004) gemäß Vorbefehl I/2001 vom 28.03.2001 eingestellt.”
Der Vorbefehl vom 28.03.2001 enthält auszugsweise folgende Regelung:
„5.4. Marineabschnittskommando Gemäß Entscheidungslage zur Zielstruktur Org-Bereich ist die Stabsebene der Marineabschnittskommandos ersatzlos aufzulösen. Verbleibende Aufgaben der Marinekommando-Stäbe übernimmt die neu zu bildende Stützpunktorganisation. Die Depots und eine Transportkompanie werden dem WBK I übergeben, die restlichen Transportelemente und regionale Servicezentren sind aufzulösen.”
Der Organisationsbefehl Nr. 305 (Marine) sowie die Organisations-Änderungsanweisung Nr. 1/02 (M) vom 04.09.2002 bestimmen, dass das Marineabschnittskommando bereits mit Wirkung zum 31.12.2002/01.01.2003 aufgelöst wird und Teile der Organisation in das neu aufzustellende Marinestützpunktkommando W. integriert werden. Die Standortverwaltung teilte dem Kläge...