Entscheidungsstichwort (Thema)
Anscheinsbeweis. Arbeitsentgelt
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Nichterfüllung der Nachweispflicht gemäß § 2 Abs. 1 NachwG durch den Arbeitgeber kommt dem Arbeitnehmer eine Beweiserleichterung bezüglich der von ihm behaupteten Vertragsbedingungen zugute.
2. Im Falle einer fahrlässigen Verletzung der Nachweispflicht ist der vom Arbeitnehmer zu erbringende Beweis bezüglich einzelner Vertragsbedingungen jedenfalls dann als geführt anzusehen, wenn er durch Vortrag weiterer Indizien die Richtigkeit seines Vortrags plausibel macht.
3. Bestreitet der Arbeitgeber im Lohnzahlungsprozess das Erbringen von Arbeitsleistungen, ist der Arbeitnehmer für die Erbringung beweisbelastet.
4. Die Überzeugung des Gerichts kann durch einen Anscheinsbeweis geführt werden.
Es besteht der Erfahrungsgrundsatz, dass ein Arbeitnehmer seine Arbeit in dem vertraglich vereinbarten Umfang auch erbringt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer während eines verhältnismäßig nicht unbedeutenden Zeitraums unstreitig seine vertragsgemäße Arbeitsleistung erbracht hat.
Normenkette
NachwG § 2 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Urteil vom 06.02.2001; Aktenzeichen 9 Ca 1291/99 A) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 06.02.2001 – Az. 9 Ca 1291/99 A – in Nummern 1 und 4 folgendermaßen teilweise abgeändert:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 15.743,20 (in Worten: Deutsche Mark fünfzehntausendsiebenhundertdreiundvierzig 20/100) brutto (8.049,37) abzüglich DM 3.500,– (in Worten: Deutsche Mark dreitausendfünfhundert) netto (1.789,52) nebst 4 % Zinsen aus DM 12.243,20 (in Worten: Deutsche Mark zwölftausendzweihundertdreiundvierzig 20/100) (6.259,85) seit 11.08.1999 zu zahlen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 54 %, die Beklagte 46 % zu tragen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 12 %, die Beklagte 88 % zu tragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Lohnansprüche des Klägers für die Zeit vom 15.02. bis 18.07.1999 und einen Anspruch auf Ausstellung von Lohnbescheinigungen und um die Vorfragen, wann das Arbeitsverhältnis begonnen hat, welche Lohnhöhe vereinbart worden ist, in welchem Umfang der Kläger gearbeitet hat und wer für diese Fragen die Beweislast trägt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag ist nicht geschlossen worden. Die Beklagte hat die Arbeitsbedingungen nicht schriftlich niedergelegt.
Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils vom 06.02.2001 (Bl. 87 – 89 d.A.) Bezug genommen. Gegen das der Beklagten am 22.05.2001 zugestellte Urteil hat sie mit Schriftsatz vom 11.06.2001, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 15.06.2001 eingegangen, Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 06.08.2001 – mit Schriftsatz vom 06.08.2001, beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am selben Tag eingegangen, begründet. Wegen des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz und der gestellten Anträge wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 06.08.2001 (Bl. 129 – 133 d.A.) und den Schriftsatz des Klägers vom 04.09.2001 (Bl. 135 – 137 d.A.) sowie das Sitzungsprotokoll vom 09.04.2002 Bezug genommen.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird im Hinblick auf § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
I.
Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist fristgerecht und in der vorgeschriebenen Form eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 516, 518 f. ZPO a.F.). Die Beklagte hat zwar im vollen Umfang ihrer erstinstanzlichen Verurteilung, also auch hinsichtlich der Verurteilung zur Ausstellung von Lohnabrechnungen, Berufung eingelegt, die Berufung aber insoweit nicht gesondert begründet (§ 519 ZPO a.F.). Gleichwohl ist auch insoweit von einer zulässigen Berufung auszugehen, weil die Verurteilung zu weiteren Lohnzahlungen tatbestandliche Voraussetzung für den Lohnabrechnungsanspruch ist und die Beklagte zu den durch das Endurteil bejahten Lohnansprüchen des Klägers ausreichend vorgetragen hat.
II.
Die Berufung ist teilweise begründet.
A.
Dem Kläger steht ein Lohnanspruch für die Zeit vom 15.02.1999 bis 18.07.1999 in Höhe von DM 15.743,20 brutto abzüglich DM 3.500,– netto nebst Zinsen zu.
1.
Für die Entscheidung ist von einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung mit dem Inhalt eines Vertragsbeginns 15.02.1999 und eines Monatslohns von DM 3.100,– brutto auszugehen.
a)
Der Kläger hat die Vereinbarung dieser beiden Vertragsbedingungen behauptet. Nach dem Vortrag der Beklagten habe das Arbeitsverhältnis erst am 01.05.1999 begonnen und sei ein Bruttolohn von DM 18,50/Stunde vereinbart worden.
b)
Die Kammer hält den Vortrag des Klägers für wahr im Sinn des § 286 Abs. 1 ZPO.
Die Überzeugung der Kammer wird maßgeblich dadurch geprägt, dass die Beklagte die sich aus § 2 Abs. 1 NachwG er...