Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses zur Rechtsanwaltsfachangestellten wegen Nichterreichens des Leistungsziels in der praktischen Ausbildung
Leitsatz (redaktionell)
Die Kündigung des Ausbildungsverhältnisses zur Rechtsanwaltsfachangestellten kann nicht darauf gestützt werden, "das Leistungsziel in der praktischen Ausbildung (sei) bei weitem nicht erreicht" worden, da es sich dabei nicht um einen konkreten Kündigungsgrund, sondern um eine pauschale und inhaltsleere Behauptung handelt, die den Anforderungen des § 22 Abs. 3 BBiG nicht genügt.
Normenkette
BBiG § 22
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 16.03.2016; Aktenzeichen 1 Ca 1345/15) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 16.03.2016, Az. 1 Ca 1345/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses.
Die beiden Beklagten betreiben in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts eine Rechtsanwaltskanzlei. Die 1983 in Kasachstan geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie nahm bei den Beklagten zum 01.08.2014 eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten auf. Die Ausbildungszeit sollte zum 31.07.2017 enden. Im ersten Jahr war eine Ausbildungsvergütung von 420 EUR, im zweiten Jahr von 500 EUR und im dritten Jahr von 550 EUR vereinbart.
Die Klägerin verfügte bei ihrer Einstellung bereits über eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung zur Fachkraft für Systemgastronomie. Nach dem Vortrag der Beklagten war sie im ersten Ausbildungsjahr an 77 Tagen erkrankt, in der Berufsschule fehlte sie 18 Tage. Mit Schreiben vom 14.07.2015 boten die Beklagten der Klägerin den Abschluss eines Aufhebungsvertrags zum 31.07.2015 an. In dem Schreiben heißt es ua.:
"Sehr geehrte Frau A.,
vorab darf ich Ihnen von Allen gute Besserung wünschen.
Ich nehme sodann Bezug auf das gemeinsame Gespräch zwischen Ihnen, dem Kollegen E. und mir, bei welchem wir übereinkamen uns Gedanken über die weitere Gestaltung des Ausbildungsverhältnisses zu machen, insbesondere, weil hier im Hause die Vermutung bestand, dass sie durch die Ausbildung und die damit einhergehenden Anforderungen insbesondere im praktischen Bereich doch so stark belastet sind, dass dies sogar Auswirkungen auf Ihre Gesundheit hat, was durch Ihre massiven Fehltage auch belegt wird.
Des Weiteren sind sowohl die Kollegen E. und I., als auch ich selbst der Ansicht, dass Sie den Anforderungen im praktischen Bereich, vor allem wegen der sprachlichen und grammatikalischen Schwierigkeiten nicht gewachsen sind und sich hier nur quälen.
Ich übersende Ihnen deshalb beiliegend einen vorbereiteten Aufhebungsvertrag, welchen Sie sich bitte eingehend durchlesen sollten und darüber nachdenken ob es in nicht auch in Ihrem Sinne ist den Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen und gegebenenfalls eine andere Ausbildung zu versuchen.
Gerne können wir uns nach Ihrer Genesung auch noch einmal zusammensetzen und Ihnen unsere Ansicht noch einmal erläutern.
Bitte geben Sie uns bis zum 20.07.2015 Bescheid wie sie sich entscheiden wollen.
..."
Die Klägerin lehnte das Angebot mit Schreiben vom 20.07.2015 ab. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:
Sehr geehrter Herr X.,
vorab bedanke ich mich beim gesamten Team für die Genesungswünsche.
Ihre Wortwahl, ich zitiere: "stark belastet durch die Ausbildung und die damit einhergehenden Anforderungen", "massiven Fehltage", "den Anforderungen wegen der sprachlichen und grammatikalischen Schwierigkeiten nicht gewachsen" und "sich nur quälen", trafen mich ganz arg. Vor allem wenn ich bedenke, dass diese Aussagen von meinem Ausbilder kommen, der eigentlich eine lernprozessbegleitende und -unterstützende Rolle hat.
Sie wussten von meinen sprachlichen Schwierigkeiten von Anfang an Bescheid und gaben mir dennoch die Chance, in Ihrem Haus die Ausbildung zu machen. Jetzt unterstellen Sie mir, ich wäre den Anforderungen aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht gewachsen?! An dieser Stelle möchte ich kurz ein Beispiel von meiner Freundin aufführen, die ebenfalls in einer Kanzlei ihre Ausbildung absolviert und von der Nationalität her Deutsche ist: Sie wird von ihrem Chef erwartungsgemäß in allen nötigen Punkten unterstützt und wird mittags freigestellt, weil sie zusätzlich zur Berufsschule Sprachkurse besucht.
In meinem Fall kann ich mich nicht daran erinnern, derartige Chance oder überhaupt unterstützende Maßnahmen von Ihnen erhalten zu haben. Es ist bedauerlich, dass Sie keinen Beitrag für die gesellschaftliche Integration sprachlich eingeschränkter Personen, wie ich es bin, leisten möchten. In meiner jetzigen Klasse sind etwa 50% der Auszubildenden ausländischer Herkunft und werden auch nicht für ihre Schwächen diskriminiert. Ihre Worte sind wirklich sehr verletzend, Herr X..
Ich für meinen Teil weiß, dass ich diese Ausbildung nicht aufgeben möchte. Daher würde ich gern Ihrem Vorschlag folg...