Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entfernung mehrerer Abmahnungen aus der Personalakte eines Abteilungsleiters bei unbilliger Weisung zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit nebst Pausen
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine missbilligende Äußerung der Arbeitgeberin in Form einer Abmahnung ist geeignet, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und in seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen; der Arbeitnehmer kann deshalb die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse der Arbeitgeberin am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht.
2. Eine Abmahnung ist auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält.
3. Gemäß § 16 Abs. 2 ArbZG ist die Arbeitgeberin verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 ArbZG und damit die über acht Stunden an einem Werktag hinausgehende Arbeitszeit aufzuzeichnen; die Aufzeichnungspflicht kann die Arbeitgeberin auch auf Beschäftigte delegieren, soweit sie Arbeitsstunden betrifft, die der Arbeitnehmer über das in § 3 Satz 1 ArbZG normierte Höchstmaß hinaus erbringt, nicht aber für sämtliche Arbeitszeiten.
4. § 6 Abs. 2.1 TVöD-K schreibt ausschließlich die Dokumentation der Arbeitszeiten von Ärztinnen und Ärzten vor.
5. Der Inhalt einer Weisung der Arbeitgeberin muss billigem Ermessen im Sinne des § 106 Satz 1 GewO entsprechen; dazu ist in erster Linie der mit der Weisung verfolgte Zweck zu überprüfen.
6. Hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung einer pauschalen Mehrarbeitsvergütung, ohne dass es darauf ankommt, ob und in welcher Höhe er in jedem einzelnen Zeitabschnitt (Woche, Monat) tatsächlich Mehrarbeit leistet, und geht die entsprechende Vereinbarung erkennbar davon aus, dass der Arbeitnehmer im allgemeinen über die tarifliche Arbeitszeit hinaus arbeitet und auch seine Verpflichtung beinhalt, ohne Widerrufsvorbehalt Mehrarbeit bis zu einem bestimmten Umfang zu leisten, entspricht die arbeitgeberseitige Weisung, zukünftig die tägliche Arbeitszeit nebst Pausen im Einzelnen (quasi dem Bedienen einer Stechuhr entsprechend) aufzuzeichnen, nicht billigem Ermessen.
Normenkette
BGB §§ 242, 1004 Abs. 1 S. 1; GewO § 106 S. 1; ArbZG § 3 S. 1; TVöD-K § 6 Abs. 2.1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 07.11.2012; Aktenzeichen 7 Ca 1904/11) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.11.2012 - 7 Ca 1904/11 - wie folgt teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 27.10.2011 bezüglich Aufgabenneuorganisation der IT-Abteilung aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 27.10.2011 bezüglich des fehlenden Speicherkonzepts aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 27.10.2011 bezüglich Single-Sign-On (SSO) aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 27.10.2011 bezüglich Nichtvorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat 1/5 und die Beklagte 4/5 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Entfernung mehrerer Abmahnungen aus seiner Personalakte.
Der Kläger ist seit dem 15.08.1992 bei der Beklagten, die ein Krankenhaus betreibt, zuletzt als Abteilungsleiter IT und Abteilungsleiter Medizinische Dokumentation beschäftigt.
Unter dem 27.10.2011 erteilte die Beklagte dem Kläger insgesamt fünf Abmahnungen. Wegen des Inhalts der betreffenden Abmahnungen wird auf Bl. 12 bis 20 d. A. Bezug genommen.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 07.11.2012 (Bl. 555 bis 571 d. A.).
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Dr. S und V. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07.11.2012 (Bl. 541 ff. d. A.) verwiesen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27.10.2011 bezüglich OP-Auswertung aus seiner Personalakte zu entfernen,
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27.10.2011 bezüglich Aufgabenneuorganisation der IT-Abteilung aus seiner Personalakte zu entfernen,
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 27.10.2011 bezüglich Nichtvorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen...