Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Erschütterung des Beweiswerts der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem Grundsatz der Monokausalität besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung grundsätzlich nur, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist, der erkrankte Arbeitnehmer also ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte.

2. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Ihr kommt ein hoher Beweiswert zu.

3. Den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann der Arbeitgeber erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggfs. beweist, die Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit geben. Gelingt dies dem Arbeitgeber, muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, dass er arbeitsunfähig war.

 

Normenkette

EFZG § 3; MuSchG §§ 16, 18, 20, 3; GewO § 106; BGB § 315

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 26.11.2020; Aktenzeichen 7 Ca 303/20)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 26. November 2020, Az. 7 Ca 303/20, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Mutterschutzlohn und den Arbeitgeberzuschuss zum Mutterschaftsgeld.

Der Beklagte betreibt eine tierärztliche Klinik, die montags bis freitags von 8:00 bis 20:00 Uhr sowie samstags von 8:00 bis 14:00 Uhr geöffnet hat. Außerhalb dieser Öffnungszeiten (nachts und am Wochenende) wird die tierärztliche Behandlung durch Rufbereitschaftsdienste gewährleistet. Der Beklagte beschäftigt nach seinen Angaben ca. 30 Arbeitnehmer. Die 1986 geborene Klägerin absolvierte in der Klinik des Beklagten eine bis zum 07.06.2018 befristete Weiterbildung. Am 29.03.2018 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag mit Wirkung ab 08.06.2018. Der Arbeitsvertrag hat - auszugsweise - folgenden Wortlaut:

"§ 1 Beginn des Anstellungsverhältnisses

AN wird ab dem 08.06.2018 als tierärztliche Assistentin ... angestellt.

...

§ 3 Arbeitszeit

Die Arbeitszeit richtet sich nach den Bedürfnissen an tierärztlichen Leistungen an der Arbeitsstätte im Rahmen von § 14 II Ziff. 2 des Arbeitszeitgesetzes (AZG).

Die Lage der Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen/gesetzlichen Bestimmungen. Herr Dr. C. hat das Recht, diese nach billigem Ermessen abzuändern.

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt 40 Stunden wöchentlich, kann sich aber nach den Klinikbedürfnissen ändern.

Sofern die betrieblichen Belange es erfordern, ist der AN bereit, seine Arbeitsleistung auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten zu erbringen. Sofern es die Tätigkeit und die Aufgaben erfordern, verpflichtet sich AN, auf Anordnung Mehrarbeit zu leisten.

AN ist zur Teilnahme an Feiertag-, und Wochenenddiensten sowie Rufbereitschaft im Einverständnis mit dem AG und in Absprache mit den anderen an diesen Diensten beteiligten Tierärzten ... verpflichtet.

Ein Ausgleich für Tätigkeiten an Feiertagen, Wochenenden und in der Nacht erfolgt in Form von Freizeit.

Die Lage der Arbeitszeit richtet sich dabei nach den betrieblichen Erfordernissen oder gesetzlichen Bestimmungen. Bei Rufbereitschaft muss der AN die Klinik innerhalb von 10 Minuten erreichen können.

§ 4 Vergütung

Das Gehalt beträgt bei Vollzeittätigkeit monatlich € 3.250,00 brutto. ..."

Die Klägerin ist Mutter von zwei Kindern, die am 22.11.2018 und am 19.09.2020 geboren sind.

Vor der Geburt ihres ersten Kindes arbeitete die Klägerin wegen eines ärztlichen Beschäftigungsverbots nach § 16 Abs. 1 MuSchG bereits ab dem 13.04.2018 nicht mehr. Nach der Geburt nahm sie Elternzeit bis zum 22.01.2020 in Anspruch. Einen am 22.11.2018 gestellten Urlaubsantrag für die Zeit vom 25.01. bis zum 06.03.2020 lehnte der Beklagte mit Hinweis auf die Kürzungsbefugnis nach § 17 Abs. 1 BEEG ab. Mit Schreiben vom 15.12.2019 beantragte die Klägerin eine Verlängerung der Elternzeit bis zum 20.04.2020. In dem Schreiben heißt es auszugsweise:

"hiermit beantrage ich die Verlängerung meiner Elternzeit zur Betreuung und Erziehung meines Kindes [...] geboren am 22.11.2018 und bitte Sie gleichzeitig dem Antrag zuzustimmen. Grund dafür ist fehlende Betreuungsmöglichkeit.

Meine bereits genommene Elternzeit endend am 22.01.2020 möchte ich bis zum 20.04.2020 verlängern. Im Anschluss daran stehe ich Ihnen wieder zur Verfügung."

Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2019 wegen der angespannten Personalsituation ab. Am 08.01.2020 erschien die Klägerin in der Tierklinik und führte mit der Zeugin W., die beim Beklagten für Personalangelegenheiten zuständig war, ein Gespräch, dessen Inhalt streitig ist. Die Zeugin erklärte (insoweit unstreitig), dass die...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge