Entscheidungsstichwort (Thema)
Ansprüche einer bulgarischen Arbeitnehmerin auf Annahmeverzugslohn
Leitsatz (redaktionell)
1. Einer bulgarischen Arbeitnehmerin steht ein Anspruch auf Annahmeverzugslohn für Zeiträume bis zum 31.12.2013 nur dann zu, wenn sie über eine Arbeitsgenehmigung der Bundesagentur für Arbeit verfügte. Anderenfalls war ihr gem. § 284 SGB III die Ausübung einer Beschäftigung verboten und damit i.S. von § 275 BGB rechtlich unmöglich.
2. Darüber hinaus sind der Annahmeverzug des Arbeitgebers und seine Rechtsfolgen nicht an die Voraussetzung geknüpft, dass der Arbeitnehmer sich ständig zur Dienstleistung bereit hält und "nichts anderes tut". Vielmehr kann der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass er auch bei Ortsanwesenheit nicht beschäftigt würde, solang der Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung nicht anbietet. Daher kann selbst aus einem Aufenthalt des Arbeitnehmers im Ausland für sich genommen nicht gefolgert werden, er sei gegenüber seinem Arbeitgeber nicht leistungswillig, sofern er jederzeit erreichbar und zur Rückkehr in der Lage ist.
Normenkette
BGB §§ 293-294, 296-297, 326 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, § 615 Sätze 1-2; KSchG § 11 Nrn. 1-2; BGB §§ 615, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 30.01.2019; Aktenzeichen 7 Ca 3924/16) |
Tenor
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 30. Januar 2019 - 7 Ca 3924/16 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 21.027,69 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 1.050,00 EUR seit 03. Februar 2014, 03. März 2014 und 02. April 2014, aus 3.180,92 EUR seit 02. April 2015, aus 7.412,64 EUR seit 02. April 2016 und aus 7.284,13 EUR seit 02. Februar 2017 zu zahlen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits (1. und 2. Instanz) tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien im Berufungsverfahren noch über Annahmeverzugslohnansprüche.
Die Klägerin, die bulgarische Staatsangehörige ist, war seit dem 9. Juli 2012 bei der Beklagten, die bis zu der im Mai 2014 im Handelsregister des Amtsgerichts K-Stadt eingetragenen Umfirmierungen (HRB 00000) ursprünglich unter "Landhaus S. GmbH" firmierte, als Servicekraft gegen ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 1.050,00 € beschäftigt.
Am 26. Oktober 2012 musste die Klägerin auf Anordnung der Beklagten aus dem von ihr zuvor bewohnten Zimmer im Hotel der Beklagten ausziehen, nachdem die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2012 für beendet erklärt und der Klägerin einen zum 31. Oktober 2012 befristeten Arbeitsvertrag vorgelegt hatte, der von ihr nicht unterzeichnet worden ist.
Am 21. November 2012 erhob die Klägerin bei der Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts B-Stadt unter Angabe einer Wohnanschrift in M-Stadt sowie einer Telefonnummer mit spanischer Landesvorwahl Klage vor dem Arbeitsgericht Koblenz mit dem Antrag auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Oktober 2012, an dem nach Ansicht des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis beendet sei, hinaus fortbestehe. In diesem Vorprozess der Parteien konnte die Klägerin zum Gütetermin vom 13. Dezember 2012 nicht geladen werden. Eine EWOIS-Anfrage vom 10. Dezember 2012 blieb erfolglos. Ende 2012 zog die Klägerin, zusammen mit ihrer Mutter, zu ihrem Bruder nach Spanien. Von dort zog sie, wiederum zusammen mit ihrer Mutter, im Februar 2014 nach London. Unter Angabe ihrer Kontaktdaten in London (Anschrift, Telefonnummer, E-Mail-Adresse) teilte sie mit Schreiben vom 26. Februar 2014 dem Arbeitsgericht Koblenz mit, dass sie zum Termin am 13. Dezember 2012 aus gesundheitlichen Gründen nicht habe erscheinen können und fragte an, ob sie das Recht habe, "die Gültigkeit seiner Berufung zu erneuern". Auf das gerichtliche Antwortschreiben teilte sie mit Schreiben vom 22. März 2014 unter ihrer Anschrift in London mit, dass es ihr derzeit nicht möglich sei, eine Adresse in Deutschland anzugeben, weil sie in England arbeite und lebe. Zur Benachrichtigung über die Termine vor Gericht solle die von ihr genannte Adresse verwandt werden, wenn möglich zwei bis drei Wochen vor dem Tag für die Organisation ihrer Reise. Daraufhin wurde das zuvor bereits ausgetragene Verfahren beim Arbeitsgericht Koblenz unter dem Aktenzeichen 7 Ca 1030/14 fortgeführt. Im Gütetermin vom 22. Mai 2014 erklärte die Beklagte, dass das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin durch Übergabe des Kündigungsschreibens vom 28. September 2018 am gleichen Tag gekündigt worden sei. Im Vorprozess der Parteien hat das Arbeitsgericht Koblenz die Klage mit Urteil vom 11. September 2014 - 7 Ca 1030/14 - abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 24. Juni 2015 - 7 Sa 559/14 - das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien über den 31. Oktober 2012, an dem nach Ansicht des...