Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückerstattungsanspruch der Arbeitgeberin bei irrtümlich ohne Steuerabzug erfolgter Auszahlung einer Abfindung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Arbeitgeberin kann gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG die Erstattung nachentrichteter Lohnsteuer vom Arbeitnehmer verlangen, wenn sie zu wenig Lohnsteuern einbehalten und an das Finanzamt abgeführt hat; das gilt unabhängig davon, ob die Arbeitgeberin freiwillig oder aufgrund eines Haftungsbescheids die Steuerforderung für den Arbeitnehmer erfüllt.
2. Die Arbeitgeberin haftet zwar gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG für die Lohnsteuer, die sie einzubehalten und abzuführen hat; beim Einbehalt und der Abführung der Lohnsteuer erfüllt die Arbeitgeberin jedoch eine fremde Schuld, denn Schuldner der Lohnsteuer ist gemäß § 38 Abs. 2 EStG der Arbeitnehmer.
3. Soweit die Haftung der Arbeitgeberin reicht, sind Arbeitgeberin und Arbeitnehmer gemäß § 42d Abs. 3 EStG Gesamtschuldner; im Verhältnis von Arbeitgeberin und Arbeitnehmer zueinander ist grundsätzlich allein der Arbeitnehmer Schuldner der Steuerforderung.
4. Das gilt auch für den Fall, dass die Arbeitgeberin nach der irrtümlich ohne Steuerabzug erfolgten Auszahlung einer Abfindung im Falle einer unverzüglichen Anzeige beim Betriebsstättenfinanzamt nach § 41c Abs. 4 und 42d Abs. 2 EStG eine Befreiung von ihrer Haftung nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG erreichen kann; auch eine (mögliche) Haftungsbefreiung der Arbeitgeberin ändert nichts daran, dass der Arbeitnehmer gemäß § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der Lohnsteuer ist und die Arbeitgeberin die Steuerschuld des Arbeitnehmer mit der Folge erfüllt hat, dass ein Rückerstattungsanspruch der Arbeitgeberin gegen den Arbeitnehmer in Höhe des nachentrichteten Betrags in jedem Fall aus § 812 Abs. 1 BGB begründet ist.
Normenkette
BGB § 267 Abs. 1, § 426 Abs. 1 S. 1, § 812 Abs. 1, § 818 Abs. 1-3; EStG § 38 Abs. 2, § 41c Abs. 4, § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 08.08.2013; Aktenzeichen 2 Ca 740/12) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 8.8.2013 - 2 Ca 740/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückerstattung der von ihr gezahlten Steuern für eine Abfindungszahlung in Anspruch.
Der Beklagte war in der Zeit vom 1. September 2008 bis zum 31. Mai 2011 bei der Klägerin beschäftigt. Im vorangegangenen Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht Trier ist zwischen den Parteien nach § 278 Abs. 6 ZPO ein Vergleich gemäß Beschluss vom 5. Juli 2011 (Az.: 1 Ca 618/11) zustande gekommen, nach dem das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung vom 27. April 2011 zum 31. Mai 2011 endet und sich die Klägerin verpflichtet, an den Beklagten zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes in entsprechender Anwendung der § 9, 10 KSchG eine einmalige Abfindung in Höhe von 9.000,00 EUR brutto zu zahlen.
Irrtümlich zahlte die Klägerin dem Beklagten die Abfindung netto ohne Abzüge aus. Die auf den Abfindungsbetrag entfallende Lohnsteuer und den Solidaritätszuschlag in Höhe von insgesamt 2.907,58 EUR führte die Klägerin aufgrund einer Korrekturabrechnung an das Finanzamt ab.
Mit Schreiben vom 15. August 2011 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, das ihr bei der Überweisung seiner Abfindung ein Fehler unterlaufen sei und er daher den Betrag "brutto für netto" ohne den Steuerabzug von 2.907,58 EUR erhalten habe, und forderte ihn unter Fristsetzung zum 29. August 2011 zur Rückzahlung dieses Betrages auf. Mit Schreiben vom 24. Oktober und 7. November 2011 mahnte sie die Zahlung an, wodurch ihr Mahnkosten in Höhe von 10,00 EUR entstanden. Für eine Einwohnermeldeamtsanfrage wandte sie 7,00 EUR auf.
Die Klägerin hat vorgetragen, der Beklagte sei als Steuerschuldner zur Rückerstattung der für ihn abgeführten Lohnsteuer verpflichtet. Auf einen Wegfall der Bereicherung könne sich der Beklagte nicht berufen. Der Beklagte habe den überzahlten Betrag nicht für seine laufenden Lebensbedürfnisse verbraucht, sondern sich damit noch in seinem Vermögen befindliche Werte und Vorteile verschafft.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.907,58 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.08.2011 zuzüglich 10,00 EUR Mahnkosten und zuzüglich Auslagen in Höhe von 7,00 EUR zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat erwidert, er sei entreichert, da er den überzahlten Betrag im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Auszahlung vollständig ausgegeben habe. Er habe eine Wohnung in M.-Stadt angemietet, die er sich ohne die Zahlung der Klägerin in voller Höhe nicht hätte leisten können. Für diese Wohnung habe er eine Kaution von 2.466,00 EUR gezahlt und sich mehrere Luxusgegenstände bzw. seine Wohnungseinrichtung für insgesamt 6.835,70 EUR gekauft. Ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin bestehe im Übrigen auch aus ...