Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitnehmers zur Erstattung vom Arbeitgeber entrichteter Lohnsteuer
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer gem. §§ 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 EStG, 44 Abs. 1 S. 1 AO Erstattung einer geleisteten Lohnsteuernachzahlung verlangen, weil der Arbeitnehmer gem. § 38 Abs. 2 S. 1 EStG Alleinschuldner der Lohnsteuer ist. Dies setzt jedoch den Nachweis der Nachentrichtung von Lohnsteuer voraus (hier: verneint).
Normenkette
BGB § 426; EStG § 42 d; BGB § 611; EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, § 38 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 03.07.2019; Aktenzeichen 4 Ca 364/19) |
Tenor
- Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 3. Juli 2019, Az. 4 Ca 364/19, abgeändert und die Klage abgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erstattung nachentrichteter Einkommensteuer.
Der 1958 geborene Beklagte war vom 03.07.1989 bis zum 30.11.2017 bei der Klägerin als Elektroniker beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Arbeitgeberkündigung vom 27.04.2017 wegen beabsichtigter Betriebsschließung. In einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Trier (3 Ca 1467/17) stritten die Parteien ua. um eine Sozialplanabfindung. Im Kammertermin vom 20.09.2018 schlossen sie - mit umgekehrten Parteirollen - folgenden Vergleich:
"Vergleich
1. Die Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung gemäß des Sozialplans vom 10.11.2017 in Höhe von € 34.965,60 brutto, wobei die Abfindung 21 Tage nach Rechtskraft dieses Vergleichs zur Zahlung fällig ist.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger im Hinblick auf den Lohnabzug bei der Abrechnung September 2017 Arbeitsentgelt in Höhe von € 795,52 brutto, wobei der Betrag 21 Tage nach Rechtskraft dieses Vergleichs zur Zahlung fällig ist.
3. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
4. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Verfahren 6 Sa 115/18 vor dem Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bzw. die darin geltend gemachten Nachteilsausgleichsansprüche von der vorstehenden Regelung unberührt bleiben. Es besteht jedoch Einigkeit dahingehend, dass für den Fall, dass Nachteilsausgleichsansprüche rechtskräftig zugesprochen werden oder eine vergleichsweise Regelung über eine Zahlung von Nachteilsausgleich getroffen wird, die vorstehend geregelte Abfindungszahlung auf den Anspruch aus Nachteilsausgleich anzurechnen ist.
5. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben."
Die Klägerin rechnete anschließend einen Bruttobetrag von € 35.761,12 ab und zahlte dem Beklagten am 31.10.2018 einen Nettobetrag von € 31.187,71 aus. Der Abrechnung legte sie die Steuerklasse 3 zugrunde. Im Nachgang gelangte die Klägerin zu der Ansicht, dass sie Steuern nach Steuerklasse 6 hätte abführen müssen. Sie trägt vor, sie habe dem Finanzamt deshalb Steuern iHv. € 9.323,21 nachentrichtet. Der Beklagte bestreitet dies.
In einem weiteren Rechtsstreit (2 Ca 560/17) stritten die Parteien um einen Anspruch auf Nachteilsausgleich. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat die Klägerin (damals Beklagte) mit Urteil vom 20.11.2018 (6 Sa 115/18) verurteilt, an den Beklagten (damals Kläger) gem. § 113 Abs. 3 BetrVG einen Nachteilsausgleich iHv. € 18.599,02 brutto zu zahlen. Der Gesamtanspruch belaufe sich auf € 53.564,62 brutto; weil die Sozialplanabfindung von € 34.965,60 brutto anzurechnen sei, stehe noch der tenorierte Restbetrag offen. Bei Abrechnung des Restbetrags behielt die Klägerin einen Nettobetrag von € 9.323,21 ein. Daraufhin betrieb der Beklagte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 20.11.2018 (6 Sa 115/18). Ihm wurde der vollständige Nettobetrag ausgekehrt.
Mit ihrer am 17.05.2019 beim Arbeitsgericht Trier eingegangen Klage verlangt die Klägerin die Zahlung von € 9.323,21. Sie hat erstinstanzlich vorgetragen, sie habe diese Steuerschuld des Beklagten dem Finanzamt Trier nachentrichtet. Zum Beweis legte sie Ausdrucke der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2018 mit Datum vom 29.10.2018 (Steuerabzug nach Steuerklasse 3 = Lohnsteuer € 3.852,00, Solidaritätszuschlag € 211,86, Kirchensteuer € 346,68) und vom 31.10.2018 (Steuerabzug nach Steuerklasse 6 = Lohnsteuer € 11.995,50, Solidaritätszuschlag € 656,67, Kirchensteuer € 1.079,59), eine Abrechnung der Brutto/Netto-Bezüge mit Datum vom 31.10.2018 nach Steuerklasse 6 sowie einen Ausdruck vom 12.03.2019 "Meldelauf DÜ elektronische Lohnsteuerkarte im November 2018" (Bl. 114 d.A.) vor. Außerdem bezog sie sich auf ein Schreiben ihres Abrechnungsbüros an den Beklagten vom 06.02.2019, das auszugsweise wie folgt lautet:
"Die Nettoabfindung die Sie erhalten haben, wurde berechnet unter der Voraussetzung dass Sie mit der Steuerklasse 3 abzurechnen sind. Diese Information haben wir vom Insolvenzverwalter [...] erhalten.
Da Sie allerdings vermutlich in einem Beschäftigungsverhältnis sind, ist die Steuerklasse 3 nicht mehr frei und wir dürfen Sie nur mit der St...