Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz der subjektiven Determination bei der Betriebsratsanhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG. Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einer Kündigung in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ist die Substantiierungspflicht der Betriebsratsanhörung allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleitet. Dies folgt aus dem Grundsatz der subjektiven Determination.

2. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt nur vor, wenn die Benachteiligung wegen der Ausübung von Rechten erfolgt. Zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Mitursächlichkeit genügt nicht.

 

Normenkette

BetrVG § 102 Abs. 1; BGB §§ 242, 612a; GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1; BGB § 134; ZPO § 138

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 22.06.2021; Aktenzeichen 6 Ca 965/20)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein - Auswärtige Kammern Landau in der Pfalz - vom 22. Juni 2021, Az. 6 Ca 965/20 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG.

Der 1977 geborene, ledige und kinderlose Kläger war zunächst seit dem 28. Mai 2017 über die Zeitarbeitsfirma D. A. GmbH bei der Beklagten in der Halle 17 als Leiharbeiter, unter anderem auch als Lkw-Fahrer beschäftigt. Ab dem 1. August 2020 arbeitete der Kläger bei der Beklagten aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 16. Juli 2020 (Blatt 5 ff. der Akte) bei einem monatlichen Entgelt in Höhe von 3.234,57 € brutto. Auf das Arbeitsverhältnis fand, zumindest über die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag, der Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Rheinland-Pfalz Anwendung.

Der Kläger wurde von der Beklagten in der Meisterei von Herrn H. F. als Mitarbeiter "D. M. " in Schichtarbeit beschäftigt. Der von ihm zuvor als Leiharbeiter besetzte Arbeitsplatz wurde einem anderen Mitarbeiter übertragen.

Im Rahmen der Einlernphase am Band ging der Kläger auf seinen Vorgesetzten zu und bat diesen darum, eine Rückversetzung auf seinen bisherigen Einsatzplatz zu veranlassen. Hierzu fand ein Gespräch am 24. November 2020 statt.

Die Beklagte hörte den bei ihr gebildeten Betriebsrat unter dem 16. November 2020 zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung an. Wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens nebst Anlage wird auf Blatt 48 ff. der Akte Bezug genommen. Der Betriebsrat äußerte am 23. November 2020 Bedenken (Blatt 51 ff. der Akte).

Mit Schreiben vom 24. November 2020 kündigte die Beklagte dem Kläger "personenbedingt fristgerecht" zum 31. Dezember 2020. Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit seiner am 3. Dezember 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 10. Dezember 2020 zugestellten Kündigungsschutzklage.

Der Kläger war der Ansicht,

ein Kündigungsgrund liege nicht vor. Ein Hinweis der Beklagten an den Betriebsrat, dass eine Kündigung im Rahmen der Nichterfüllung der Wartezeit von 6 Monaten im Raum stehe, habe nicht stattgefunden. Seine Fehler seien in der Betriebsratsanhörung nicht objektiv dargelegt worden. Die Anhörung entspreche damit nicht den Anforderungen nach § 102 Abs. 1 BetrVG. Durch den pauschalen Hinweis der Beklagten im Rahmen der Unterrichtung des Betriebsrats auf seine (behaupteten) Schlechtleistungen ergebe sich, dass die Beklagte kein auf seine Person bezogenes Werturteil als Begründung der Kündigung heranziehe, sondern die Kündigung auf Leistungsgesichtspunkte stütze. Insbesondere fehle in der Anhörung des Betriebsrates jeglicher Hinweis, welche Fehler tatsächlich von ihm im Einzelnen verursacht worden seien, wie sich die Fehlerquote im Verhältnis zu anderen unmittelbar vergleichbaren Mitarbeitern verhalte und welche Maßnahmen die Beklagte zur Abstellung eventueller Fehler getroffen habe. Die Mitteilung dieser Tatsachen könne nicht unterbleiben. Es handele sich nicht um eine Kündigung, die auf einem personenbezogenen Werturteil beruhe.

Es handele sich bei der Kündigung ganz offensichtlich um eine solche, welche unter Verstoß gegen das Maßregelungsverbot ausgesprochen worden sei. Mit der Anfrage nach einer Rückversetzung auf seinen bisherigen Arbeitsplatz über die Zeitarbeitsfirma als Lkw-Fahrer im Werk W. habe er seine ihm zustehenden Rechte in zulässiger Weise ausgeübt. Da die Beklagte hierauf mit einer Kündigung reagiert habe, liege der Verstoß gegen § 612a BGB vor und die Kündigung sei aus diesem Grund unwirksam. Seine Anfrage habe dazu geführt, dass ihm in diesem Gespräch von den Personalmitarbeitern der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass er nicht irgendwelche Sonderwünsche geltend machen könne und er aufgrund dessen die Kündigung erhalte. Allein diese Aussage zur beabsichtigten Kündigung führe zur Unwirksamkeit der...

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