Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Nachweis des Zugangs eines Kündigungsschreibens
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Arbeitgeber hat den vollen Beweis des Zugangs einer Kündigung unter Abwesenden zu führen.
2. Bei Übermittlung des Kündigungsschreibens per Einwurfeinschreiben begründet der Einlieferungsbeleg zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs jedenfalls dann den Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Sendung durch Einlegen in den Briefkasten zugegangen ist, wenn der Zusteller dies glaubhaft und schlüssig als Zeuge vernommen bekundet.
Normenkette
BGB § 130 Abs. 1 S. 1; ZPO § 415 Abs. 1, § 418 Abs. 1; BGB §§ 611, 615
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 22.11.2018; Aktenzeichen 9 Ca 643/17) |
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.11.2018 - 9 Ca 643/17 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 253,85 EUR brutto Urlaubsabgeltung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.05.2017 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens tragen der Kläger zu 94% und die Beklagte zu 6%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 97% und die Beklagte zu 3%.
III.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Zugang des Kündigungsschreibens der Beklagten vom 18. Januar 2017 bzw. den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses in der Zeit vom 3. Februar 2017 bis zum 20. April 2017 und sich hieraus ergebende Entgelt- bzw. Urlaubsabgeltungsansprüche.
Auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 12. Dezember 2016 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 38-46 d. A.) war der Kläger als Assistent des Betriebsleiters der "L." in Mainz ab dem 16. Dezember 2016 zu einem Bruttomonatsentgelt in Höhe von 2.750,00 € beschäftigt.
In der Zeit vom 18. Januar bis zum 28. Februar 2017 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Im Rahmen einer E-Mail-Korrespondenz am 15. Februar 2017 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger mit, ihm sei am 19. Januar 2017 die Probezeitkündigung vom 18. Januar 2017 zum 2. Februar 2017 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 6. April 2017 kündigte die Beklagte - erneut und rein vorsorglich - das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 20. April 2017.
Mit seiner am 2. Mai 2017 bei Gericht eingegangenen Klage vom 28. April 2017 hat der Kläger Entgeltfortzahlung für den Monat Februar 2017 in Höhe von 2.750,00 € brutto abzüglich des erhaltenen Nettobetrages in Höhe von 135,63 € geltend gemacht, sowie Annahmeverzugslohn für die Monate März 2017 in Höhe von 2.750,00 € brutto und April 2017 in Höhe von 1.851,17 € brutto zuzüglich Urlaubsabgeltung in Höhe von 761,54 € brutto.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,
das Kündigungsschreiben vom 18. Januar 2017 sei ihm nicht zugegangen. Er kontrolliere seinen Briefkasten regelmäßig und ein Kündigungsschreiben der Beklagten habe weder am 19. Januar 2017 noch an den darauffolgenden Tagen im Briefkasten gelegen. Er hat die Örtlichkeiten seiner Wohnanschrift und die Lage des Briefkastens näher dargelegt und Lichtbilder der Briefkästen des Hauses zu der Akte gereicht (vgl. Anlagen zum Schriftsatz vom 28. August 2017, Bl. 108-110 d. A.). Er hat erklärt, dass er seine Wohnung am 19. Januar 2017 allein bewohnt habe und alleinigen Zugriff auf den Inhalt des Briefkastens gehabt habe, weil nur er einen Schlüssel gehabt habe.
Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 8.112,71 € brutto zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Zinssatz für einen Betrag von 2.750,00 € brutto seit dem 11. März 2017, für einen Betrag von 2.750,00 € seit dem 11. April 2017 und für einen weiteren Betrag von 2.612,71 € brutto seit dem 11. Mai 2017 abzgl. bereits am 10. März 2017 gezahlter 135,63 € netto zu zahlen;
- Die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Monate März bis April 2017 jeweils eine Lohnabrechnung zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen,
der Geschäftsführer der Beklagten habe die Kündigungserklärung vom 18. Januar 2017 erstellt, unterschrieben und vor den Augen des Zeugen D. M., der an diesem Tag als Support-Manager in der "L." in C-Stadt anwesend gewesen sei, in einen Briefumschlag gesteckt. Sodann habe er sich mit dem verschlossenen Briefumschlag in die Filiale der Deutschen Post AG, S-Straße, Dienststellen-Nr. 000000000 begeben und den verschlossenen Umschlag, enthaltend die Probezeitkündigung, am 18. Januar 2017 um 18:50 Uhr, eingeliefert. Danach sei er in sein Büro zurückgekehrt und habe das als Anlage B 3 mit Schriftsatz vom 18. Juli 2017 zur Akte gereichte "Zustellprotokoll" erstellt, auf dem er oben rechts den Einlieferungsbeleg aufgebracht habe mit der entsprechenden Sendungsnummer. Die als Anlage B 4 in Kopie beigefügte Sendungsverfolgung habe ergeben, dass die Sen...