Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsplatzschikane durch “Mobbing„. Unbegründete Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage einer Altenpflegerin bei unzureichenden Darlegungen zur als “Mobbing„ zu bewertenden Mehrarbeit und Eignungsbeurteilung
Leitsatz (redaktionell)
1. “Mobbing„ ist kein Rechtsbegriff und damit auch keine mit einer Rechtsnorm vergleichbare selbständige Anspruchsgrundlage für Ansprüche einer Arbeitnehmerin gegen ihre Arbeitgeberin oder gegen Vorgesetzte oder Arbeitskollegen; macht eine Arbeitnehmerin konkrete Ansprüche wegen “Mobbings„ geltend, muss jeweils geprüft werden, ob in den von der Arbeitnehmerin genannten Einzelfällen arbeitsrechtliche Pflichten, ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB, ein Schutzgesetz gemäß § 823 Abs. 2 BGB verletzt oder eine sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB begangen worden ist.
2. Die Darlegungs- und Beweislast für Handlungen, aus denen die Arbeitnehmerin Schmerzensgeld- und materielle Schadensersatzansprüche herleitet, trägt sie selbst als Klägerin; die Anforderungen an die Darlegungslast für Überstunden werden nicht dadurch geringer, dass die Arbeitnehmerin anstelle einer Vergütungsklage im Überstundenprozess wegen “überobligatorischer„ Mehrarbeit Mobbingvorwürfe erhebt und ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro verlangt, das ihr Jahreseinkommen erheblich übersteigt.
3. Eine unbestimmte Aussicht oder eine bloße Hoffnung auf Erlangung einer leitenden Position ist nicht geschützt; der Umstand, dass eine Vorgesetzte die Arbeitnehmerin für noch nicht geeignet hält, Leitungsaufgaben zu meistern, begründet keinen Mobbingvorwurf.
4. Im Arbeitsleben übliche Konfliktsituationen sind grundsätzlich nicht geeignet, die Tatbestandsvoraussetzungen einer Vertragspflichtverletzung oder einer unerlaubten Handlung zu erfüllen.
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; EMRK Art. 8; BGB § 823 Abs. 2, § 826
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 17.12.2015; Aktenzeichen 2 Ca 2094/15) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 17. Dezember 2015, Az. 2 Ca 2094/15, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche wegen Mobbings.
Die Beklagte unterhält an den Standorten A-Stadt und K. zwei stationäre Altenpflegeheime sowie einen ambulanten Pflegedienst. Die 1986 geborene Klägerin wurde ab 15.08.2012 als examinierte Altenpflegerin zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt € 2.513,50 eingestellt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es ua:
"§ 1 Beginn und Art der Tätigkeit
1. Die Mitarbeiterin wird ab 15.08.2012 als ex. Altenpflegerin im Seniorenzentrum Villa am B. K. zu Hause eingestellt.
2. ...
3. Der Arbeitgeber behält sich vor, der Mitarbeiterin auch andere, ihrer Vorbildung und ihrer Fähigkeit entsprechende, gleichwertige und zumutbare Aufgaben zu übertragen oder sie an einem anderen Arbeitsplatz oder Tätigkeitsort zu versetzen, soweit dies unter Berücksichtigung ihrer Interessen zumutbar ist. ...
§ 2 Arbeitszeit
1. Die Parteien vereinbaren eine Mindestarbeitszeit von 40 Stunden die Woche. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit richten sich nach der allgemeinen betrieblichen Arbeitszeitregelung bzw. der Weisung des Arbeitgebers. Die Mitarbeiterin verpflichtet sich zu flexiblen Arbeitszeiten, wenn betriebliche Belange dies erfordern.
2. Darüber hinaus vereinbaren die Parteien eine Arbeit auf Abruf gemäß § 12 TzBfG in Höhe von maximal 10 Stunden pro Woche. Wird die Arbeit auf Abruf vom Arbeitgeber in Anspruch genommen, wird sie vergütet. Ansonsten bleibt es bei der Vergütung der Mindestarbeitszeit.
3. Die Mitarbeiterin ist verpflichtet, soweit dies betrieblich notwendig ist, auch über die Arbeit auf Abruf hinaus, Mehrarbeit und Überarbeit sowie Nachtschicht, Sonn- und Feiertagsarbeit im gesetzlich zulässigen Umfang zu leisten.
§ 3 Vergütung
1. Der Arbeitgeber zahlt der Mitarbeiterin eine Grundvergütung von € 2.340,00.
...
4. Mehr- und Überarbeit wird vorrangig durch Freizeit ausgeglichen.
..."
Die Klägerin war vom 13.12.2013 bis 13.02.2014 wegen einer akuten psychovegetativen Erschöpfung arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 16.04.2014 ist sie ununterbrochen arbeitsunfähig. Ihr Hausarzt diagnostizierte eine kombinierte Angst- und Depressionserkrankung, die Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie eine Anpassungsstörung (ICD F43.2). Die gesetzliche Rentenversicherung gewährte der Klägerin in der Zeit vom 25.11. bis 30.12.2014 eine stationäre medizinische Rehabilitation in einer Fachklinik. Die Klägerin wurde arbeitsunfähig entlassen. Sie bezog nach eigenen Angaben ab 27.04.2014 Krankengeld; seit dem 14.09.2015 wird ihr Arbeitslosengeld gewährt.
Mit ihrer am 26.06.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt sie von der Beklagten wegen Mobbings ein Schmerzensgeld iHv. mindestens € 50.000,00, die Differenzbeträge zwischen Krankengeld und regulärer Monatsvergütung als Verdienstausfallsc...