Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründete Klage einer Versicherungsangestellten auf vorübergehende Zuweisung eines Teilzeit- oder Heimarbeitsplatzes aus familiären Gründen. Umfang der Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers. Anspruch einer Arbeitnehmerin auf einen befristeten Halbtagsarbeitsplatz im Home-Office
Leitsatz (amtlich)
Aus der in § 241 Abs. 2 BGB normierten Rücksichtnahmepflicht erwächst auch unter Berücksichtigung des grundrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie bzw. Pflege und Erziehung der Kinder (Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG) kein Anspruch auf einen befristeten Halbtagsarbeitsplatz an einem anderen Arbeitsort oder in einem Home Office.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2; GG Art. 6; GewO § 106; TzBfG § 8; BGB § 611 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Entscheidung vom 12.03.2014; Aktenzeichen 10 Ca 1851/13) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 12. März 2014, Az. 10 Ca 1851/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Klägerin vorübergehend auf einem Teilzeitarbeitsplatz am Standort Saarbrücken, hilfsweise auf einem Heimarbeitsplatz, zu beschäftigen.
Die Beklagte gehört zu einem Versicherungskonzern. Die 1971 geborene Klägerin ist seit Dezember 1996 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Sachbearbeiterin zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt € 3.706,- mit 38 Wochenstunden in Vollzeit angestellt. Sie wurde zunächst am Standort Saarbrücken eingesetzt. Aufgrund einer unternehmensweiten Umstrukturierung wurde sie mit ihrem Einverständnis ab 01.10.2007 am Standort Mainz als Sachbearbeiterin beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 07.09.2007 vereinbarten die Parteien den Dienstort Mainz. Die Klägerin behielt jedoch ihren Wohnsitz in der Nähe von Saarbrücken bei und pendelte nach Mainz.
Nach der Geburt ihres Sohnes am 14.04.2010 nahm die Klägerin Elternzeit bis zum 13.04.2012 in Anspruch, die einvernehmlich bis zum 13.04.2013 verlängert wurde. Seit 14.04.2013 ist die Klägerin ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben. Sie leidet an einer mittelgradigen bis schweren depressiven Episode, die durch den vorliegenden Arbeitsplatzkonflikt ausgelöst worden sein soll.
Die Klägerin stellte bereits in der Elternzeit einen Antrag auf Verringerung ihrer Arbeitszeit auf 20 Wochenstunden, wobei diese auf montags bis freitags von 8:30 bis 12:30 Uhr verteilt werden müsse, weil ihr Sohn an einer emotionalen Störung leide, die einen ganztägigen Kindergartenbesuch ausschließe. Darüber hinaus verlangt sie zwingend einen Arbeitsplatz am Standort Saarbrücken, hilfsweise die Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes. Die Anträge befristete sie (zuletzt) bis zum 30.09.2016. Die Beklagte, die mit einer Teilzeitbeschäftigung einverstanden ist, lehnt eine Verlagerung des Arbeitsortes ab.
Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestands und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 12.03.2014 (dort S. 2 bis 16) Bezug genommen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich -zuletzt- beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot auf kalendermäßig bis 30.09.2016 befristete Änderung des Arbeitsvertrags vom 07.09./13.12.2007 mit dem Inhalt, dass die Beschäftigung am Standort Saarbrücken mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden an den Tagen Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 08:30 bis 12:30 Uhr und anschließend mit dem Aufgabenbereich/Arbeitsort sowie mit der Arbeitszeit gemäß §§ 2, 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 07.09./ 13.12.2007 erfolgt, anzunehmen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihr Angebot auf kalendermäßig bis 30.09.2016 befristete Änderung des Arbeitsvertrags vom 07.09./13.12.2007 mit dem Inhalt, dass die Beschäftigung in Form eines Heimarbeitsplatzes mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden an den Tagen Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag von 08:30 Uhr bis 12:30 Uhr und anschließend mit dem Aufgabenbereich/Arbeitsort sowie mit der Arbeitszeit gemäß §§ 2, 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrags vom 07.09./13.12.2007 erfolgt, anzunehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, die Klägerin habe weder einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung in Saarbrücken noch auf Einrichtung eines Heimarbeitsplatzes. Sie könne ihr Begehren, das nicht nur auf die (vorübergehende) Verkürzung der Arbeitszeit, sondern auch auf die Zuweisung eines neuen Arbeitsortes gerichtet sei, nicht auf § 8 TzBfG stützen. Ein Anspruch folge auch nicht aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz oder aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gem. §§ 611, 241 Abs. 2, 106 GewO iVm. § 315 BGB. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 16 bis 29 des erstinstanzlichen Urteils vom 12.03.2014 Bez...