Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungslast des Arbeitnehmers im Prozess für die geleisteten Überstunden. Vertrauensarbeitszeit aus arbeitsrechtlicher Sicht
Leitsatz (redaktionell)
1. Verlangt der Arbeitnehmer z.B. aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarungen Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die normale Arbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat.
2. Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitspflicht in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle erfüllen; die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit steht mithin weder der Führung eines Arbeitszeitkontos entgegen noch schließt sie die Abgeltung eines aus Mehrarbeit des Arbeitnehmers resultierenden Zeitguthabens aus.
Normenkette
BGB §§ 242, 611-612, 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1; ArbGG § 69 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 09.06.2022; Aktenzeichen 9 Ca 3048/21) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 09.06.2022 - 9 Ca 3048/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob dem Kläger gegenüber der Beklagten aus dem vormals zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnis ein Anspruch auf Vergütung von Überstunden zusteht.
Der Kläger war im Unternehmen der Beklagten vom 16.02.2017 bis zum 20.09.2021 als Personalleiter und Syndikusrechtsanwalt gegen ein monatliches Einkommen in Höhe von zuletzt 7.839,00 EUR brutto beschäftigt. Mit Vergleich im Rechtsstreit 9 Ca 1530/21 vor dem Arbeitsgericht Koblenz haben die Parteien Einvernehmen darüber erzielt, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch ordentliche arbeitgeberseitige Kündigung vom 28.06.2021 fristgerecht aus betriebsbedingten Gründen zum 30.09.2021 aufgelöst worden ist.
Die Parteien waren verbunden durch schriftlichen Anstellungsvertrag vom 23.12.2016 (Kopien Blatt 176 bis 183 der Akte), auf dessen Inhalt insgesamt Bezug genommen wird, mit unter anderem dieser Vereinbarung in § 3 des Vertrages zur "Vergütung":
"§ 3 Vergütung
1. Als Vergütung wird ein Gehalt von monatlich 7.400,00 €, jährlich 88.800,00 € vereinbart."
Nach der im Übrigen zunächst getroffenen arbeitsvertraglichen Abrede in "§ 2 Arbeitszeit, Überstunden, Mehrarbeit, Kurzarbeit" mit diesem Inhalt:
"1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Nach dieser Stundenzahl richtet sich die Vergütung.
Die Arbeitszeit kann aus betrieblichen Gründen zwischen 30 und 48 Stunden pro Wochen ungleich verteilt werden. Innerhalb von 52 Wochen darf die regelmäßige Arbeitszeit 2.080 Stunden nicht überschreiten.
Der Arbeitgeber darf Kurzarbeit anordnen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld erfüllt sind und der Arbeitgeber den Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt hat. Dabei ist eine Ankündigungsfrist von 2 Wochen einzuhalten. Der Arbeitgeber kann die Anordnung von Kurzarbeit jederzeit widerrufen.
1. Der Arbeitnehmer ist im Rahmen der betrieblichen Notwendigkeiten zur Leistung von Überstunden und im Rahmen der gesetzlich zulässigen Höchstgrenzen zur Mehrarbeit sowie von Sonn- und Feiertagsarbeit verpflichtet. Der Arbeitgeber hat schriftlich angeordnete Überstunden innerhalb von 52 Wochen nach deren Entstehen in Freizeit auszugleichen.",
kam es unter dem 15.04.2018 zwischen den Parteien zum schriftlichen "Nachtrag zum Arbeitsverhältnis" (Kopie Blatt 175 der Akte) mit dieser Regelung:
"§ 2 des Arbeitsvertrages wird wie folgt neu gefasst:
1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40 Stunden. Nach dieser Stundenzahl richtet sich die Vergütung.
2. Es wird ab sofort Vertrauensarbeitszeit vereinbart.
Unter dem Begriff der "Vertrauensarbeitszeit" versteht man ein Arbeitszeitmodell, bei dem der einzelne Arbeitnehmer selbst unter Beachtung der betrieblichen Kernarbeitszeit für die Einhaltung und aufgabengerechte Verteilung seiner Arbeitszeit verantwortlich ist; lediglich das Volumen der in einem bestimmten Zeitraum zu erbringenden Arbeitszeit wird vom Arbeitgeber festgelegt. Auf eine elektronische Zeiterfassung wird verzichtet und der Arbeitnehmer kann vorarbeiten, um die vorgearbeitete Zeit zu einem späteren Zeitpunkt durch Freizeit ausgleichen. Als Teilnehmer am Vertrauensarbeitszeitmodell muss der Arbeitnehmer diejenigen Zeiten eigenständig erfassen und festhalten, die über die tägliche Regelarbeitszeit von 8 Stunden hinausgehen.
Der Arbeitgeber bringt dem Arbeitnehmer damit besonderes Vertrauen entgegen und verlangt im Gegenzug einen verantwortungsvol...