Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßregelungskündigung wegen wahrheitsgemäßer Zeugenaussage
Leitsatz (redaktionell)
§ 612a BGB schützt nicht lediglich vor Benachteiligungen wegen Ausübung von Arbeitnehmerrechten, sondern schützt jede Form der zulässigen Rechtsausübung durch den Arbeitnehmer, wie z.B. eine wahrheitsgemäße Zeugenaussage in einem Strafverfahren.
Normenkette
BGB §§ 612a, 134
Verfahrensgang
ArbG Stendal (Urteil vom 10.05.2005; Aktenzeichen 2 Ca 1440/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des ArbG Stendal vom10.05.2005 – 2 Ca 1440/04 – abgändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 24.06.2004 nicht beendet wurde.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Die 1966 geborene Klägerin war seit dem 01.01.2002 bei dem Beklagten, der eine Autovermietung betreibt, als „Stellvertretende Geschäftsführerin” zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.300,00 EUR beschäftigt. Zweitinstanzlich steht zwischen den Parteien außer Streit, dass der Beklagte in der Regel nicht mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt.
In den Jahren 2001 bis 2003 bestand zwischen den Parteien eine private Beziehung, in deren Verlauf die Klägerin den Beklagten verschiedentlich finanziell unterstützte. Im Jahr 2003 gründeten die Parteien die e. GmbH. Die Stammeinlage der Klägerin betrug 24.000,00 EUR, die des Beklagten 1.000,00 EUR. Die alleinige Geschäftsführung der GmbH war dem Beklagten übertragen. Die Parteien beabsichtigten, die von dem Beklagten als Einzelunternehmen betriebene Autovermietung auf die GmbH zu überführen. Ende 2003 löste die Klägerin die private Beziehung auf. Die Übertragung der Geschäfte auf die GmbH wurde nicht vollzogen. Die Klägerin blieb jedoch weiterhin bei dem Beklagten beschäftigt.
Am 15.02.2004 brachte der Beklagte die Klägerin nach dem gemeinsamen Besuch einer öffentlichen Sauna mit seinem Fahrzeug gegen 22.00 Uhr nach Hause. Beim Ausparken stieß er gegen ein anderes Fahrzeug. Ohne weitere Maßnahmen verließ er den Unfallort mit der Klägerin als Beifahrerin. Aufgrund einer Zeugenaussage leitete die Polizei noch am selben Abend ein Ermittlungsverfahren ein. In dessen Verlauf wurde die Klägerin zunächst am 22.02.2004 vernommen, ohne jedoch zur Sache auszusagen. Mit schriftlicher Zeugenaussage vom 08.06.2004 (Bl. 172 d. A.) belastete sie den Beklagten in Bezug auf den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Am 24.06.2004 wurde der Beklagte von seinem späteren Prozessbevollmächtigten telefonisch und per Fax über die belastende Zeugenaussage der Klägerin sowie eines weiteren Mitarbeiters des Beklagten, den Zeugen W., informiert. Im Anschluss daran erklärte der Beklagte zur Klägerin, dass er ihr jetzt sofort die „Papiere fertig mache” und sie ihre Sachen nehmen und den Betrieb verlassen müsse. Bevor die Klägerin den Betrieb verließ, händigte der Beklagte ihr eine schriftliche Kündigung vom 24.06.2004 zum 31.07.2004 aus. Dem Zeugen W. erteilte er gleichfalls Hausverbot. Mit Urteil vom 21.10.2004 wurde der Beklagte nachfolgend wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort zu einer Geldstrafe verurteilt.
Mit ihrer am 15.07.2004 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung. Sie hat – soweit zweitinstanzlich noch von Interesse – geltend gemacht, dass die Kündigung gegen die guten Sitten oder das Maßregelungsverbot verstoße und deshalb unwirksam sei. Nach dem Unfallereignis vom 15. Februar 2004 hätte der Beklagte die Klägerin mehrfach bedroht für den Fall, dass sie „nicht den Mund halte”. Aus diesem Grund habe sie zunächst eine Aussage zur Sache vermieden. Als dem Beklagten ihre spätere Aussage per Fax zugeleitet wurde, habe er ausgerufen: „Das ist doch ein Komplott von der Alten und dem W. gegen mich”. Er sei beinahe durchgedreht und habe den Zeugen W. fast körperlich angegriffen. Die Kündigung sei ausschließlich wegen der wahrheitsgemäßen Aussage der Zeugin im Strafverfahren ausgesprochen worden. Dies könne von der Rechtsordnung nicht anerkannt werden.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.05.2005, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, die Kündigungsschutzklage der Klägerin abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung keine rechtswidrige Maßregelung darstelle, da die Klägerin mit ihrer Aussage gegenüber der Staatsanwaltschaft kein Arbeitnehmerrecht ausgeübt habe. Sittenwidrig gemäß § 138 BGB sei die Kündigung nicht, da die Klägerin nicht hinreichend dargelegt habe, dass der Beklagte aus verwerflichen Rache- bzw. Vergeltungsmotiven gekündigt habe. Allein der zeitliche Zusammenhang des Kündigungsausspruchs und der Kenntnisnahme von der Aussage der Klägerin genüge nicht. Der Tathergang sei nicht näher dargelegt, zudem sei der Zeuge W. nicht gekündigt, sondern weiter beschäftigt worden. Unstreitig ist d...